Die Aktivität/Inaktivität von Insulin sowohl im Körper als auch im Gehirn ist assoziiert mit Übergewicht und der Entwicklung von Diabetes mellitus Typ 2 (DMT2). Eine Korrektur der Insulinresistenz im menschlichen Gehirn war bislang nicht möglich. Einen pharmakologischen Ansatz liefert eine aktuelle Studie mit Empagliflozin [1].
Das menschliche Gehirn ist ein wichtiges insulinsensitives Organ. Die Aktivität von Insulin im Gehirn bestimmt Essverhalten, Körpergewicht und -fett sowie dessen Verteilung im Körper. Darüber hinaus verbessert sie den peripheren Metabolismus durch Erhöhung der Insulinsensitivität im ganzen Körper, Reduktion der hepatischen Glucoseproduktion und Stimulierung der pankreatischen Insulinsekretion. Frühe Studien mit Mäusen zeigten, dass die Blockade von Insulinrezeptoren speziell im Hypothalamus zu adipösen Phänotypen mit erhöhtem Körperfett und peripherer Insulinresistenz führt. Der Erhalt der Insulinaktivität im Gehirn schützt dagegen möglicherweise vor der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2.
Bei nicht wenigen Personen liegt eine Insulinresistenz im Gehirn vor. Ein häufiger Risikofaktor dafür ist Übergewicht. Vor allem aber fehlen bei verminderter Insulinaktivität im Hypothalamus wichtige Signale in die Peripherie, was eine Prädisposition für eine Insulinresistenz im ganzen Körper bewirkt.
Bislang steht noch keine Therapie zur Verfügung, die die Insulinresistenz im Gehirn umkehren kann. Unter den medikamentösen Ansätzen scheinen Natrium-Glucose-Cotransporter-2(SGLT2)-Inhibitoren hierfür vielversprechende Kandidaten zu sein. Diese für die Therapie von DMT2 entwickelten Wirkstoffe senken den erhöhten Blutzucker durch eine vermehrte Ausscheidung von Zucker mit dem Urin. In großen Studien zeigten sie zudem einen positiven Einfluss auf Morbidität und Mortalität.
Die Gabe von Dapagliflozin bei übergewichtigen Nagetieren führte zum Erhalt der Insulinsignalgebung im Gehirn sowie zu einem verbesserten Metabolismus im gesamten Körper und verhinderte einen Verlust kognitiver Fähigkeiten. Als möglicher Pathomechanismus für die Insulinresistenz im Gehirn gilt eine subklinische Inflammation im Hypothalamus. Canagliflozin, ein anderer SGLT2-Hemmer, konnte bei Mäusen mit fettreicher Diät die Entzündung im Hypothalamus rückgängig machen. Letzlich scheinen einige dieser günstigen Effekte dieser Substanzklasse auf den gesamten Körper auf einer intakten Signalgebung zwischen Gehirn und Peripherie über den Vagusnerv zu beruhen.
Zum Potenzial von SGLT2-Inhibitoren auf die Insulinresistenz im menschlichen Hirn gab es jedoch noch keine Erkenntnisse. Das nahmen Forscher des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Helmholtz Zentrums München und des Universitätsklinikums Tübingen zum Anlass, diesbezüglich Empagliflozin bei adipösen Menschen mit Prädiabetes zu testen [1]. In der Studie erhielten 40 Probanden (Alter: 60 ± 9 Jahre; Body-Mass-Index: 31,5 ± 3,8 kg/m2) acht Wochen den SGLT-2-Inhibitor (25 mg/Tag) oder Placebo. Mithilfe einer funktionalen Magnetresonanztomografie (MRT) wurde die Insulinsensitivität vor und nach der Behandlung überprüft. Dazu wurde den Untersuchten über ein Nasenspray Insulin verabreicht, damit es direkt ins Gehirn gelangte.
Die Gabe von Empagliflozin verbesserte das Ansprechen von Insulin im Hypothalamus signifikant, Placebo zeigte hier hingegen keinen Effekt. Unter Empagliflozin verbesserte sich auch der Nüchternglucosewert, und der Fettgehalt der Leber nahm ab. Obwohl der SGLT2-Hemmer das Gewicht nicht senkte, reduzierte sich der Körperfettgehalt.
FAZIT
Die Studie bestätigte die Insulinresistenz im Gehirn von Menschen mit Prädiabetes. Die Gabe von Empagliflozin über acht Wochen verbesserte die Insulinsensitivität im Gehirn. SGTL2-Hemmer können daher als Therapieansatz gegen eine Insulinresistenz im Gehirn gelten. Die erhöhte Insulinsensitivität trägt auch zu einem verbesserten Stoffwechsel des Körpers bei. Ob die verbesserte Insulinwirkung im Gehirn auch an den günstigen Effekten von SGTL2-Inhibitoren an Herz und Nieren beteiligt ist, soll als nächstes untersucht werden.
Der Autor
Prof. Dr. med. Martin Heni
Oberarzt
Wissenschaftlicher Koordinator des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM)
des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen
martin.heni@med.uni-tuebingen.de
1) Kullmann S et al., Diabetes Care 2021; https://doi.org/10.2337/dc21-1136
Bildnachweis: Verena Müller (Universitätsklinikum Tübingen)