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Seltene Erkrankungen

Primär biliäre Cholangitis

Neue Erkenntnisse und neue Substanzen in der Behandlung

Dr. med. Marius Vögelin, Prof. Dr. med. Andreas Kremer

27.9.2024

Die primär billiäre Cholangitis führt zu einer Entzündung der kleinen Gallenwege in der Leber. Diese vernarben zunehmend und werden langsam zerstört – mit dem Endstadium einer Leberzirrhose. Die Therapieoptionen könnten sich in den nächsten Jahren deutlich erweitern.

Die primär biliäre Cholangitis (PBC) verläuft chronisch progredient und kann die Lebensqualität durch Symptome wie Juckreiz und Fatigue erheblich einschränken. Etwa ein Drittel der Betroffenen spricht inadäquat auf die Erstlinientherapie mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) an, wovon wiederum nur eine Minderheit der dann eigentlich indizierten Zweitlinientherapie zugeführt wird [1,2].

Die konsequente Behandlung kann eine Progression zur Zirrhose verhindern und die Symptomlast reduzieren. Dank Erkenntnissen zur Risikostratifizierung sowie neuen therapeutischen Substanzen werden diese Therapieziele für immer mehr Patientinnen und Patienten realistisch.

Therapieansprechen und Risiko­stratifizierung

Um den Therapieerfolg zu beurteilen, werden mit guter Evidenzgrundlage die Surrogatmarker alkalische Phosphatase (AP) und Bilirubin verwendet. Das Ansprechen auf UDCA wird gemäß bisherigen Empfehlungen erst nach 12 Monaten eingeschätzt. Der größte anticholestatische Effekt von UDCA und anderen anticholestatischen Therapien wird jedoch bereits nach 3–6 Monaten erreicht. Ein inadäquates Ansprechen kann somit früher und mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden, wie aktuelle Daten belegen.

Die Risikostratifizierung sollte bei Diagnose und Folgevisiten mittels validierter Scores wie den Paris-II-Kriterien erfolgen (Abb.). Neue Auswertungen zeigen aber auch, dass sich die Langzeitprognose bereits ab Bilirubin > 0,6 × ULN und alkalische Phosphatase > 1,0 × ULN verschlechtert [3].

Neben Alter, Geschlecht und Labor sollte zudem die Lebersteifigkeit in die Beurteilung mit einfließen. ­Diese kann weiter zwischen hohem und tiefem Risiko diskriminieren, auch wenn die Paris-II-Kriterien bereits erfüllt sind [4-6].

Neue Substanzen zur Zweit- und Drittlinientherapie

Besteht auf UDCA ein inadäquates Ansprechen oder eine Intoleranz, sollte eine Zweitlinientherapie evaluiert werden. Zum aktuellen Zeitpunkt ist in Europa hierfür nur Obeticholsäure (OCA) zugelassen. Mit Bezafibrat und Fenofibrat sind aber weitere Off-­Label-Substanzen mit guter Evidenz verfügbar und neue Wirkstoffe dürften die Therapieoptionen bald ergänzen.

Obeticholsäure

OCA, ein nukleärer Farnesoid-X-Rezeptor-Agonist, ist seit 8 Jahren als Zweitlinientherapie zugelassen. Die Wirksamkeit wurde in der Phase-III-Studie POISE mit 5-Jahres-Open-Label-Verlängerung belegt [7] und bestätigt sich auch im „Real-World-Setting“, mit deutlicher Risikoreduktion um rund 70 % bzgl. transplantationsfreiem Überleben oder Tod [8-10].

Als Nebenwirkung kann Pruritus auftreten oder ­dosisabhängig verstärkt werden. Dieser kann spontan abklingen oder mittels Bezafibrat, Rifampicin, Dosisreduktion oder temporäres Pausieren meist effektiv behandelt werden und führt nur selten zum Therapieabbruch [11].

Kontraindikationen für OCA sind eine kompensierte Zirrhose mit portaler Hypertonie oder dekompensierte Leberzirrhose [12]. Im Juni 2024 empfahl die EMA, die bedingte Zulassung von OCA zu widerrufen. Diese Entscheidung beruht auf einer einseitigen ­Betrachtung der COBALT-Studie (OCA vs. Placebo über 8 Jahre), die ihren primären Endpunkt nicht erreichte, da viele Patienten und Patientinnen in der Placebogruppe aus ethischen Gründen die Studie abbrachen [13]. Im klinischen Alltag verträgt die Mehrheit der PBC-Erkrankten OCA gut und spricht gut an [10,14]. Wir empfehlen daher, die Therapie bei diesen Patienten und Patientinnen fortzusetzen.

PPAR-Agonisten

Peroxisome Proliferator-aktivierte Rezeptor(PPAR)-Agonisten können entweder einzelne Isoformen oder global alle PPAR ansprechen. Ein zusätzlich positiver Einfluss auf den Pruritus macht diese Wirkstoffgruppe besonders attraktiv.

Bezafibrat und Fenofibrat zeigten in mehreren Studien eine gute Wirksamkeit als Zweit- und Drittlinientherapie. Dies bestätigte sich u. a. in der randomisierten kontrollierten Studie BEZURSO [15]. Fibrate scheinen in der Therapie cholestatischer Lebererkrankungen verhältnismäßig sicher, gute Daten zum Sicherheitsprofil fehlen jedoch aufgrund des Off-Label-Gebrauchs.

Seladelpar ist ein selektiver PPAR-δ-Agonist, der in der kürzlich erschienenen Phase-III-Studie RESPONSE ein biochemisches Ansprechen nach 1 Jahr von 61,7 % erreichte und Pruritus reduzierte [16]. Die Wirkung scheint auch bei einer Therapiedauer von bisher 2 Jahren anzuhalten und gut verträglich zu sein. Auch Elafibranor, ein PPAR-α- und -δ-Agonist, zeigte in der aktuellen Phase-III-Studie ELAVITE über 1 Jahr ein biochemisches Ansprechen von 51 % als Zweitlinientherapie [17,18]. Für Saroglitazar bestand ein ähnlich gutes Ansprechen in Phase-II-Studien.

Ausblick

Weitere Substanzklassen wie Setanaxib (NOX-Inhibitor) oder IBAT-Inhibitoren befinden sich in der Evaluation, überzeugende Phase-III-Daten stehen hier aber noch aus [19]. Darüber hinaus sind in den nächsten Jahren Daten zu Kombinationstherapien von UDCA, OCA und PPAR-Agonisten zu erwarten.

FAZIT:

Eine „personalisierte Therapie“ ist zukünftig dank erheblichen Fortschritten in der Behandlung der PBC möglich und zielt auf eine Verbesserung des transplantationsfreien Überlebens und eine ­bessere Symptomkontrolle.

Der Autor

Dr. med. Marius Vögelin
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Universität Zürich, Schweiz, sowie Division of Gastroenterology, Department of Medicine, University Health Network, Toronto, Canada

Der Autor

PD Dr. Dr. med. Andreas E. Kremer, MHBA
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsspital Zürich, Schweiz

andreas.kremer@usz.ch

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  17. Kowdley KV et al., N Engl J Med 2024; 390: 795–805
  18. Schattenberg JM et al., J Hepatol 2021; 74: 1344–54
  19. Invernizzi P et al., Liver Int 2023; 43: 1507–22
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Bildnachweis: privat

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