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Praxisorganisation

Heiße Sommer als Folge des Klimawandels

Hitzeschutz für die Praxis und die Patientinnen

Theresia Wölker

28.8.2024

Die Sommer werden heißer und wir kommen nicht umhin, Praxisabläufe an die geänderten Bedingungen anzupassen. Mit den notwendigen Maßnahmen können wir unsere Patientinnen schützen und schaffen gleichzeitig ein „cooles“ Klima für das Praxisteam.

Die Erderwärmung beträgt erstmals durchschnittlich über 1,5 Grad, meldete die Tagesschau im Februar 2024 basierend auf den Daten des EU-Klimadienstes. Und die WHO bezeichnete die Klimakrise 2021 als größte Bedrohung für die Gesundheit. „Sonne ist Leben, aber (zu viel) Sonne ist auch der Tod.“ Die gefährliche Erwärmung und die dadurch spürbar längeren und intensiveren Hitzewellen erfordern neue Maßnahmen in der Praxis; insbesondere in diesen 3 Bereichen:

  • Selbstschutz
  • Teamschutz
  • Schutz für die Patientinnen

Der Umgang mit höheren Lufttemperaturen in Gebäuden stellt neue Anforderungen an den Arbeitsschutz. Nach der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), unter die auch Arztpraxen fallen, liegt die ideale Raumtemperatur zwischen 21 °C und 26 °C. Thermische Belastungen des Körpers können zu gesundheitlichem Risiko, zur Reduzierung der Leistungsfähigkeit und zu einer erhöhten Unfallgefährdung führen.

Die notwendigen Hitzeschutzmaßnahmen erfordern deshalb sofortige Anpassungen: sowohl technisch als auch organisatorisch und personenbezogen.

Im Zuge eines Team-Meetings sollte zunächst im gegenseitigen Einvernehmen eine Bestandsaufnahme (ggf. mit Gefährdungsbeurteilung) erfolgen, situativ notwendige Aktionen festgelegt und konkrete Maßnahmen schriftlich im Praxis-Qualitätsmanagement als sogenannter „Hitzeschutzplan“ (Heatmap) verbindlich dokumentiert werden. Nicht zu vergessen: konkrete Handlungsanweisungen und ein Überbrückungskonzept für Extremsituationen. Dazu zählen z. B. auch die Nutzung der sogenannten „Warnwetter-App“ des Deutschen Wetterdienstes sowie Verhaltensregeln bei Stromausfall (siehe Kasten).

Abkühlung und Schutz vor Überwärmung

Viele praktische Hinweise liegen eigentlich auf der Hand – trotzdem werden sie nur selten umgesetzt:

  • Nutzen Sie die Nachtauskühlung für eine intensive Durchlüftung der Räume (am effektivsten durch Querlüftung = Öffnen gegenüberliegender Fenster bzw. Türen) und zwar in den Nachtstunden oder, falls die Fenster aus Sicherheitsgründen nicht über Nacht offen stehen dürfen, in den frühen Morgenstunden. Notieren Sie das „Lüftungskonzept“ in Ihrem Hitzeschutzplan und ordnen Sie die Verantwortlichkeit personell konkret zu.
  • Identifizieren Sie die „innere Wärmequellen“, welche reduziert, vermieden oder ausgeschaltet werden können: z. B. elektrische Geräte, Lampen, PC, ­Drucker, Scanner, Kopierer.
  • Ein Ventilator (z. B. Tisch-, Stand-, Turm- oder ­Deckenventilator) wird von vielen als willkommene Abkühlung genutzt, aber nicht jeder verträgt die dabei mögliche Zugluft. Auch können durch den Betrieb Staub oder Pollen aufgewirbelt werden und Allergiker gefährdet sein.
  • Den Einsatz einer Klimaanlage sollte man vorab kritisch prüfen, z. B. auf Geräuschkulisse, Energieeffizienz, platzsparende Möglichkeiten und optimale Luftströmungen. Bei hohen Außenlufttemperaturen sollte die Differenz zur Raumlufttemperatur nicht zu groß eingestellt werden, sonst besteht beim Gang ins Freie die Gefahr eines „Hitzeschocks“. Nicht zu vergessen die Kosten für den Wartungsaufwand und die Instandhaltung.
  • Mobile Klimageräte können auch eingesetzt werden – die damit verbundenen Anschaffungs- und Betriebskosten sind zu beachten. Geräuschbelästigungen können entstehen und an den Luftauslässen besteht die Gefahr von Zugluft. Bei Stromknappheit und anderen Extremereignissen sollte bekannt sein, wie man die Kühlung der Räume ggf. aufrechterhalten kann.
  • Direkte Schutzmaßnahmen gegen übermäßige Sonneneinstrahlung sind wirkungsvoll, z. B. durch außen liegende Jalousien oder hinterlüftete Markisen; innen liegende Rollos sollten aus hellem bzw. hoch reflektierendem Material mit wirkungsvollem Blendschutz bestehen.

Arbeit entsprechend der Witterung organisieren

Wenn es draußen richtig heiß ist, wird es auch drinnen schnell unangenehm warm. Trotzdem kann das Praxisteam nicht einfach nach Hause gehen und „Hitzefrei“ nehmen. Hier gilt es, kreativ nach neuen Lösungen und Angeboten zu suchen, z. B.

  • die Sprechstunden- und Arbeitszeiten an den heißen Tagen auf kühlere Zeitfenster anzupassen,
  • Lockerung der Bekleidungsvorschriften,
  • kostenlose Getränke (kalten Pfefferminztee oder aromatisiertes Mineralwasser) zur Verfügung zu stellen.
  • Wassermelone in kleinen Stücken erfrischt das Team.
  • Die Praxismitarbeiter sollten in der Mittagspause die Möglichkeit haben, sich auszuruhen und ggf. die Beine hochzulegen.
  • Gekühltes Rosenwasser-Spray hat sich – selbst bei sensibler Haut – als belebende Erfrischung bei trockener Luft und an heißen Tagen bewährt.
  • Einen Vernebler aufstellen: Wasser mit 3–5 Tropfen ätherischem Pfefferminzöl vermengen, der abkühlende Raumeffekt stellt sich in Kürze ein.
  • Kalte Armbäder (nach der Hydrotherapie des Pfarrer Kneipp) erfrischen und machen munter (siehe Kasten).

Patientinnen in gynäkologischen Praxen benötigen oft besonderen Schutz, insbesondere chronisch Kranke, Schwangere, Stillende, klimakterische Patientinnen. Wirksamste Maßnahme zum Schutz der Patientinnen ist eine Anpassung der Sprechstundenzeiten bei extremer Hitze (Früh-/Spät-Sprechstunden). Termine von vulnerablen Patientinnen sollten auch kurzfristig verschoben werden, damit sie nicht bei brütender Hitze in die Praxis kommen müssen. Als zusätzlichen Service für Risikopatientinnen kann eine Sonder-Telefonsprechstunde (Hotline an Extremtagen) angeboten werden.

Viele praktische Hinweise liegen auf der Hand – trotzdem werden sie nur selten umgesetzt.

Auch wenn den Patientinnen in der Regel allgemeine Verhaltensempfehlungen für heiße Tage bekannt sind, sind Kompetenz und persönliche Unterweisung durch Frauenärztinnen und Frauenärzte oft überzeugender. Konkrete patientenrelevante Maßnahmen könnten zum Beispiel auf einem individualisierten, schriftlichen „Beratungsrezept“ (analog dem Privatrezept auf DIN A5 oder DIN A4) aufgelistet und ausgehändigt werden. Beispiele:

  • Hitzeverträglichkeit von Medikamenten beachten.
  • Hinweise auf mögliche Verschlimmerung psychischer Erkrankungen unter Hitzewellen.
  • Verhalten bei Verdacht auf hitzebedingte Erkrankungen (Kollaps, Sonnenstich).
  • Explizite Erklärungen zum UV- und Sonnenschutz (Kopfbedeckung, Hautschutz).
  • Der Frauenarzt/-ärztin rät: Erläutern Sie, was und wie Sie selbst an Hitzetagen essen und trinken.

Konkrete Hinweise für Ihre Patientinnen könnten weiterhin sein:

  • Kühlende Anwendungen (z. B. Wassertherapie nach Kneipp) zu Hause anwenden: Armgüsse, kühlende Tücher und Wickel, im Kühlschrank gekühlter Rosenquarz-Roller für Gesicht und Schläfen.
  • helle luftdurchlässige, lockere Kleidung
  • Ausreichend trinken, an heißen Tagen nicht zu viel auf einmal, besser öfter in kleinen Mengen.
  • Sehr kalte Getränke (Eiswürfel) unbedingt meiden, ebenso alkoholhaltige und koffeinhaltige Getränke.
  • leichtverdauliche Mahlzeiten
  • sachgemäße Lagerung der Lebensmittel (die Gefahr von Lebensmittelvergiftungen steigt bei Sommerhitze)

Alle strukturellen und prozessorientierten Schutz- und Verhaltensmaßnahmen, die für das Praxisteam selbst bei hohen Temperaturen hilfreich sind, sollten auch den Patientinnen empfohlen werden. Prüfen Sie, ob Sie das Element „Wasser“ in Ihren Räumlichkeiten integrieren können. Die kühlende und energetische Wirkung von Wasser mit Verdunstungseffekten ist schon lange bekannt (z. B. arabisch-­islamische Gartenkunst, Patios in Spanien, chinesische Harmonielehre Feng Shui). Zimmer-Springbrunnen können mit dem leisen Plätschern im Raum, der angenehmen Atemluft und einer naturnahen Dekoration für eine besondere Wohlfühlatmosphäre sorgen.

Klimabedingte sehr heiße Tage und Hitzewellen sind eine Herausforder­ung für alle. An der Seite der Patientinnen wird ein sensibel agierendes, geschultes und selbstfürsorgliches Praxisteam mit konkreten Handlungsempfehlungen und sichtbaren Aktionen ein verlässlicher Gesundheitspartner sein und bleiben. Eine laufende Evaluierung der praxisinternen Hitzeschutzmaßnahmen sollte im Praxis-Qualitätsmanagement vorgesehen werden (PDCA-Zyklus).

Nützliche Links:

Warnwetter des DWD: www.dwd.de/DE/wetter/warnungen_gemeinden/warnWetter.html

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Kata­strophenhilfe: https://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Vorsorge/Bevorraten/bevorraten_node.html

Bundesgesundheitsministerium Hitzeschutz: https://hitzeservice.de/

Kassenärztliche Bundesvereinigung „Checkliste“: https://www.kbv.de/html/klimaschutz.php

Anleitung zu Armbädern: https://www.kneipp.com/de_de/kneipp-wissen/kneipp-anwendungen/kaltes-armbad/

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

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