Ob Hypertonie, Diabetes oder Prostatakarzinom – regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen gelten als probates Mittel im Kampf gegen viele Krankheiten. Träger der Kosten sind zum großen Teil die Krankenkassen. Doch während der Corona-Pandemie haben deutlich weniger Deutsche Vorsorgetermine wahrgenommen.
Während der Corona-Pandemie hat jeder vierte Deutsche (28,2 %) weniger Vorsorgeuntersuchungen als in den Jahren zuvor bzw. als geplant wahrgenommen (Abb. 1). So lautet das Ergebnis einer repräsentativen Online-Umfrage von August 2022 mit 2 137 Teilnehmern. Der Verzicht auf präventive Maßnahmen betraf nahezu alle Bereiche: Zahnprophylaxe (20,9 %), Gesundheits-Check-up (15,5 %), Hautkrebs-Screening (9,9 %) bis zur Darmspiegelung (6,4 %), Mammografie-Screening (6,2 %) und Prostata- oder Genitaluntersuchung (5,7 %) (Abb. 2).
Nicht nur die Sorge, sich mit dem SARS-CoV-2-Virus anzustecken, spielte dabei eine Rolle, sondern auch lange Wartezeiten auf einen Termin. Da nun nahezu zwei Drittel der Deutschen in den nächsten zwei Jahren Vorsorgetermine nachholen wollen, wird mit einem „Vorsorgestau“ gerechnet.
Hausärztliche Vorsorgeuntersuchungen für Erwachsene
Dem Hausarzt kommt eine herausragende Rolle bei Beratung und Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen zu. Laut einer Statista-Umfrage von 2019 suchen 63 % der Befragten regelmäßig für die Vorsorge einen Allgemeinmediziner auf. Geht es um Informationen zur Früherkennung, so nutzen 51 % der Frauen und 47 % der Männer das Internet, 40 % der Frauen und 50 % der Männer nannten den Hausarzt als Informationsquelle (WIdO).
Gesetzlich Krankenversicherte haben einen Anspruch auf regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen, die abhängig von Geschlecht und Alter sind. Bei den privaten Krankenversicherungen ist nicht gesetzlich festgelegt, welche Untersuchungen bezahlt werden müssen, in der Regel werden jedoch alle Vorsorgeuntersuchungen erstattet, die ebenfalls die gesetzliche Krankenversicherung trägt. Viele Tarife bieten darüber hinaus weitere Vorsorgeuntersuchungen an, die teilweise auch ohne Altersgrenzen in Anspruch genommen werden können.
Umfang der Check-up-Untersuchungen sollte erweitert werden
Die Check-up-35-Untersuchungen zur Früherkennung von Nieren-, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes wurden in den vergangenen Jahren reduziert, EKG sowie verschiedene Laborwerte gestrichen. Viele Mediziner empfehlen die individuelle Erweiterung des Check-ups um ein Ruhe-EKG sowie die Bestimmung von TSH, Kreatinin, GGT, GPT und Harnsäure.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) plädiert für einen Herz-Kreislauf-Check ab 50 Jahren, um Herzerkrankungen frühzeitig zu erkennen und effektiver behandeln zu können. Derzeit läuft ein Pilotprojekt der DGK zur Verifizierung der Effektivität eines Vorsorgeprogramms, das u. a. EKG und Bestimmung von Blutdruck, Cholesterinwerten und NT-proBNP einschließt. DGK-Präsident Prof. Dr. med. Stephan Baldus hob bei der Jahrestagung 2022 hervor, dass die Number Needed to Screen, um einen Todesfall innerhalb von fünf Jahren zu verhindern, für Hypertonie bei 780 Patienten liege, für Dyslipidämie bei 418, dagegen beim als vorsorgerelevant akzeptierten Brustkrebs-Screening bei 2 741 Patienten.
Vorsorge Prostatakrebs: PSA-Screening bleibt in der Diskussion
Mit über 65 000 Neuerkrankungen pro Jahr und ca. 14 000 jährlichen Sterbefällen steht Prostatakrebs an erster Stelle der Krebserkrankungen des Mannes. Die gesetzliche Vorsorge beschränkt sich auf eine Tastuntersuchung. Zur Erweiterung des Screenings empfehlen viele Mediziner die Erhebung des PSA(prostataspezifischen Antigen)-Werts und häufig auch einen transrektalen Ultraschall.
Dazu werden Pro und Kontra diskutiert: Ein Vorbericht des Gutachtens zur Nutzenbewertung des Prostatakarzinom-Screenings mittels PSA-Test durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ka m zu dem Ergebnis, dass die Nachteile eines PSA-Screenings dessen Vorteile deutlich überwiegen. Falsch-positive Befunde und Überdiagnosen populationsbezogener PSA-Screenings seien psychisch sehr belastend und zögen unnötige Diagnostik und Therapien nach sich. Dagegen sieht die Deutsche Gesellschaft für Urologie die Datenlage des IQWiG-Vorberichts als nicht adäquat wiedergegeben an. Beim prostatakarzinomspezifischen Überleben als auch bei den Diagnosen des metastasierten Prostatakarzinoms zeige sich ein Vorteil für das PSA-Screening. Das Überdiagnoserisiko wurde für einen PSA Cut-off von unter 4 ng/ml mit 3,5 % (KI 1,3–5,6 %) bis 6 % (KI 5,4–6,6 %) bzw. für einen PSA Cut-off über 4 ng/ml (so wie in Deutschland) oder höher mit 0,7 % (KI 0,3–1,2 %) bis 1,6 % (KI 1,1–2,2 %) beziffert. Weiterhin hatten 4 bis 9 % der Screening-Teilnehmer einen falsch-positiven Screening-Befund bei einem PSA Cut-off von über 4 ng/ml. Eine Biopsie zeigte eine Gesamtkomplikationsrate von 2 %, die Mortalität lag bei 0 %.
Screening-Schemata, die sich am persönlichen Erkrankungsrisiko orientieren, könnten eine Alternative zu populationsbezogenen PSA-Screenings werden. „Wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass ein PSA-Basiswert, der im Alter von 45 bis 50 Jahren ermittelt wird, hohe Vorhersagekraft hat, ob bei einem Mann Jahrzehnte später ein Prostatakarzinom diagnostiziert wird“, urteilt Prof. Dr. med. Peter Albers (Düsseldorf). „Mit der PROBASE-Studie wollen wir herausfinden, welches das optimale Alter für die Bestimmung des PSA-Basiswerts ist – 45 oder 50 Jahre. Außerdem soll die Studie zeigen, ob der verzögerte Beginn des Screenings unnötige Diagnostik und Therapie reduzieren kann.“
Darmkrebsvorsorge: Goldstandard Koloskopie
An Darmkrebs erkranken jährlich rund 60 000 Menschen, ca. 24 000 sterben daran. Der immunologische fäkale Okkultbluttest (iFOBT) identifiziert rund 70 % der Tumoren und ihrer Vorstufen. Die Koloskopie als Goldstandard erreicht eine Quote von 95 %. Neuere Stuhltests, die Darmkrebs nicht biochemisch oder immunologisch, sondern mit molekularbiologischen Methoden nachweisen sollen, zeigen eine niedrige Spezifität und sind nur eingeschränkt für die Vorsorge bei symptomfreien Patienten geeignet.
Sinnvolle Lungenkrebs-Früherkennung in Vorbereitung
Lungenkrebs liegt mit rund 57 000 jährlichen Neuerkrankungen und 45 000 Sterbefällen an der Spitze der tumorbedingten Todesfälle. Screening-Maßnahmen stehen bislang nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) unterstützt ein strukturiertes Programm zur Lungenkrebs-Früherkennung mit Untersuchungen per Niedrigdosis-Computertomografie (CT) auf Bundesebene für ehemalige und aktive starke Raucher. Die Maßnahme sollte von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen und mit dem Angebot einer professionellen Tabakentwöhnung verknüpft werden. Dass eine frühzeitige Erkennung der Tumorerkrankung mittels moderner Niedrigdosis-CT die Heilungsaussichten verbessert und Leben retten kann, ist inzwischen durch eine Reihe wissenschaftlicher Studien belegt. Der Gesetzgeber bereitet die Einführung eines Früherkennungsprogramms in Deutschland vor, das von der DGP inhaltlich in den Anhörungsverfahren des IQWiG und des Bundesamtes für Strahlenschutz begleitet wurde.
Zusätzliche Check-Ups einer erweiterten Vorsorge
Sportmedizinischer Check
Wer eine neue Sportart ausüben möchte oder nach längerer Zeit wieder aktiv werden will, sollte sein Vorhaben mit einer sportmedizinischen Untersuchung beginnen, rät die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und verweist darauf, dass sich private und zunehmend auch gesetzliche Krankenkassen an den Kosten beteiligen. Eine sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung kann bestehende Vorerkrankungen erkennen und so Risiken minimieren. Zu der Sporttauglichkeitsuntersuchung gehören neben Anamnese und körperlicher Untersuchung unter anderem ein Ruhe- und ein Belastungs-EKG, Labor, Spirometrie und ein Befundbericht mit Trainingsempfehlung.
Vitamin D, B12, Folsäure
Ein Vitamin-D-Mangel kann zu einer erhöhten Infektanfälligkeit beitragen. Auch Depressionen, Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden mit einem Vitamin-D-Mangel in Verbindung gebracht. Vitamin B12 und Folsäure sind wichtig für die Nervenfunktion, Blutbildung, Zellteilung und Wachstumsprozesse. Vor allem bei strikt veganer Ernährung oder bei älteren Patienten kann es sinnvoll sein, den Vitamin-B12-Spiegel zu überprüfen.
Laborcheck Tumormarker
Das Bestimmen von Tumormarkern im Verlauf hilft, das Fortschreiten einer Tumorerkrankung oder die Wirksamkeit einer Therapie einzuschätzen. Für die Früherkennung von Krebs reichen Tumormarker nicht aus, als Ergänzung zu anderen Untersuchungen können sie durchaus angeraten sein.
Literatur bei der Autorin