Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) empfiehlt die Altersempfehlungen des aktuellen Mammographie-Screenings (für Frauen von 50-69 Jahre) auf jüngere (45-49) und ältere Frauen (70-74) zu erweitern, wie eine Nutzenbewertung des IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nun ergeben hat.
Die Analyse zeigte, dass sowohl für die jüngere Altersgruppe als auch für die ältere insgesamt Anhaltspunkte für einen Nutzen des Mammographie-Screenings im Vergleich zu keinem Screening vorhanden sind. Möglichen Schäden durch falsch-positive Befunde oder Überdiagnosen steht jeweils ein brustkrebsspezifischer Überlebensvorteil gegenüber, der überwiegt. „In beiden Altersgruppen ist der in Studien belegte Vorteil für die einzelne Frau allerdings nur sehr klein“, betont IQWiG-Leiter Dr. Jürgen Windeler (Köln): „Insofern bleibt eine individuelle Bewertung und Abwägung unerlässlich. Wir sollten deshalb alles dafür tun, dass die Frauen informiert entscheiden können, ob sie sich einer Mammographie unterziehen möchten - oder nicht.“
Hintergrund der Analyse war eine Aktualisierung der europäischen Brustkrebsleitlinie durch die EU-Kommission im März 2021. Die EU-Leitlinie empfiehlt seither, auch Frauen zwischen 45 und 49 Jahren sowie zwischen 70 und 74 Jahren in ein Brustkrebs-Früherkennungsprogramm einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund hat der G-BA das IQWiG im April 2021 mit einer Überprüfung der Altersgrenzen im deutschen Mammographie-Screening-Programm beauftragt. Bevor das Mammographie-Screening-Programm in Deutschland ausgeweitet werden kann, muss zuvor noch das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz die strahlenschutzrechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahme feststellen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) prüft dies derzeit im Auftrag des Ministeriums sowohl für die obere als auch die untere Altersgrenze.
Abwägung gegen falsch-positive Ergebnisse
In die Nutzenbewertung eines Screenings auf Brustkrebs mittels Mammographie bei Frauen zwischen 45 und 49 Jahren konnte das IQWiG acht randomisierte kontrollierte Studien mit zusammen mehr als 600.000 Teilnehmerinnen einbeziehen. Demnach bewahrt das Mammographie-Screening in dieser Altersgruppe etwa fünf von 10.000 zum Screening eingeladene Frauen innerhalb von zehn Jahren davor, an Brustkrebs zu versterben.
Eine Mammographie kann bei einer Frau ohne Verdacht auf Brustkrebs aber auch negative Konsequenzen haben; nämlich dann, wenn der Befund falsch-positiv ist. Die Frau macht sich dann unnötig Sorgen, bei der Abklärungsdiagnostik sind Komplikationen möglich. In der Gesamtabwägung - weniger Tote durch Brustkrebs versus falsch-positive Befunde und Überdiagnosen - überwiegen nach Ansicht des IQWiG die Vorteile eines Mammographie-Screenings für Frauen zwischen 45 und 49 Jahren im Vergleich zu keinem Screening.
Für die Nutzenbewertung eines Mammographie-Screenings bei älteren Frauen ist die Datenlage weniger gut: Nur bei zwei randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt rund 18.000 Teilnehmerinnen waren zu Studienbeginn Frauen ab 70 Jahren eingeschlossen. Aus Sicht des IQWiG reicht die Beleglage aber aus, um auch für Frauen zwischen 70 und 74 Jahren eine Nutzenaussage zu treffen und eine entsprechende Erweiterung des Mammographie-Screening-Programms zu empfehlen.
Pressemitteilung Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Juli 2022
Guideline European Commission Initiative on Breast Cancer (ECIBC), Joint Research Centre (JRC), Ispra/IT