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Telemedizin erlaubt komprimierte Übertragung taktiler Informationen

8.8.2024

Die Fernübertragung taktiler Informationen, z. B. in der Medizin, setzt voraus, dass die hohe Menge der dabei anfallenden Daten vor der Online-Übertragung auf standardisierte Weise komprimiert wird, vergleichbar zu digitalen Datenkompressions-Verfahren für Bilder, Töne oder Bewegtbilder. Ein solcher Standard wurde jetzt nach 8 Jahren Normungsarbeit unter dem Namen „Haptic Codecs for the Tactile Internet“ (HCTI) von der Technischen Universität München (TUM), dem Konsortialführer des Projektes, vorgestellt.

Es handelt sich dabei laut TUM um den ersten Standard für die Kompression und Übertragung des Tastsinns überhaupt. Der HCTI legt die Basis für viele zukünftige Anwendungen, z. B. in der Telechirurgie, für neuartige Konsilverfahren oder neue Online-Gaming-Erfahrungen. Bei der Übertragung von haptischen Informationen spielen Sender und Empfänger gleichermaßen eine Rolle. Soll etwa ein Roboterarm aus der Ferne bewegt werden, gibt die Nutzerin oder der Nutzer das durch ihre oder seine Bewegung vor. Informationen müssen in beide Richtungen fließen: Ein globaler Regelkreis entsteht, in dem sich die Kommandos zum Roboter in der entfernten Umgebung und das haptische Feedback, das zurück zum Nutzer übertragen wird, gegenseitig beeinflussen. Die Übertragung der haptischen Information muss nun idealerweise in einer Millisekunde vonstatten gehen, eine Geschwindigkeit, mit der in der physischen Interaktion mit Robotern üblicherweise gearbeitet wird.

Um die zu versendende Datenmenge zu reduzieren, gibt es so genannte Codecs, die Daten nach bestimmten Algorithmen für die Übertragung codieren und decodieren. So wird eine effiziente Übertragung der Daten möglich. „Im erstmals veröffentlichten IEEE-Standard 1918.1.1 wird ein Codec als Standard für den taktilen Datentransfer definiert“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Eckehard Steinbach, Leiter des Lehrstuhls für Medientechnik der TUM. Er erfasst also zum einen die Empfindungen für Bewegungen, also für Positionen der Gliedmaßen und Kräfte, die dort wirken, als auch für die Sensibilität der Haut, um etwa Oberflächen etwa von Papier oder Metall spüren zu können. Ergänzt werden diese beiden haptischen Codecs durch ein standardisiertes Protokoll für den Austausch der Geräteeigenschaften, das so genannte Handshaking, beim Verbindungsaufbau.

Optimierte Kompression der Daten

Anders als in den Bild-, Audio- und Videokompressionsstandards war es für die Übertragung taktiler Information bisher üblich, bis zu 4.000 Mal pro Sekunde Datenpakete in beide Richtungen loszuschicken. „Das stellt sehr hohe Anforderungen an das Kommunikationsnetz, das die Datenpakete transportiert“, erläutert Steinbach. Vorteil der hohen Taktung: Die Teleoperation ist wirklichkeitsnah und die Übertragung ist sehr robust, selbst wenn einzelne Datenpakete verloren gehen. Dennoch wollen die Forschender und Forscherinnen die Taktung auf etwa 100 Mal pro Sekunde reduzieren. „Das ist nahe an der Wahrnehmungsschwelle des Menschen“, sagt Steinbach.

Für den neuen Kompressionsstandard HCTI hat die Forschergruppe sowohl den Regelkreis zwischen Sendender und Empfänger als auch die Kompression der Daten optimiert. Das Besondere: Selbst wenn Datenpakete über weite Strecken versendet werden, darf das am anderen Ende der Leitung nicht zu merken sein. „Die integrierte Regelung wirkt stabilisierend. Die Kräfte, die etwa von einem weit entfernt stehenden Roboter eingesetzt werden, werden leicht gedämpft. Harte Oberflächen fühlen sich weicher an“, sagt Steinbach über die nun standardisierte Lösung.

Mögliche Anwendungen für den taktilen Standard sind z. B.

  • Telechirurgie: Der neue Standard vermeidet Oszillationen über beliebige Distanzen hinweg. Somit lässt sich ein aus der Ferne bedienter OP-Roboter genauso gut einsetzen wie direkt vor Ort. Expertinnen und Experten etwa von renommierten Herzzentren in München oder New York können zu bestimmten Operationen hinzugerufen werden und selbst operieren.
  • Ultraschall im Rettungswagen: Rettungshelferinnen und Rettungshelfer dürfen zwar Personen erstversorgen, sind allerdings nicht berechtigt, Ultraschallbilder zu machen. Das könnte eine Ärztin oder ein Arzt in kritischen Situationen schon während des Transports zum Krankenhaus übernehmen.
  • Gaming und Filmindustrie: Über HCTI wird es möglich, das Computerspiel oder den Kinofilm näher an die Realität zu bringen und spürbar zu machen. Über ein Exoskelett lassen sich etwa Vibrationen im Auto übertragen oder Fliehkräfte in Kurven.
  • Einkauf: Wer seine Kleidung online einkauft, braucht sich die Produkte nicht zusenden zu lassen, um zu erfahren, wie sie sich anfühlen.

Pressemitteilung „Den Tastsinn über das Internet übertragen“. Technische Universität München, 25.6.2024 (https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/den-tastsinn-ueber-das-internet-uebertragen).

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