Bei der Behandlung der Neurodermitis werden topische Probiotika zunehmend mehr als alternative und nebenwirkungsarme Therapieoption erforscht. Die Produkte enthalten lebende Bakterienstämme, die auf die Haut aufgetragen werden und so das gestörte Gleichgewicht der Hautflora bei Neurodermitis wiederherstellen.
Die genaue Wirkungsweise von topischen Probiotika bei Neurodermitis ist noch nicht vollständig erforscht. Man vermutet jedoch multifaktorielle Ansatzpunkte. Die Hautbarriere soll gestärkt werden, es kommt zu einer Immunmodulation an der Haut (Regulation der übermäßigen Immunantwort) und zur Verminderung von pathogenen Keimen.
Hautmikrobiom bei Neurodermitis
Als gesichert gilt, dass das Hautmikrobiom das Krankheitsgeschehen bei Neurodermitis beeinflusst. Mittlerweile gibt es Studien (leider mit geringer Patientenzahl), die sich damit beschäftigen. So untersuchten Prof. Dr. med. Michaela Axt-Gadermann (Coburg) und ihr Team, wie die Anwendung topischer Probiotika Neurodermitikern helfen kann. Der Expertin zufolge kann man beim akuten Schub eine deutlich reduzierte bakterielle Diversität des epidermalen Mikrobioms nachweisen. Immunologische Defekte und Hautbarrierestörungen begünstigen dann die Besiedlung mit Staphylococcus aureus. Hierbei korreliert das Ausmaß der Besiedlung mit dem Schweregrad der klinischen Symptomatik [1].
Wenn es gelänge, mit Probiotika eine Modulation des gestörten epidermalen Mikrobioms bei Neurodermitikern herbeizuführen, könnte das die Symptome der Betroffenen lindern. Die Problematik liegt aber in der Darreichungsform, in die die lebensfähigen Mikroorganismen eingearbeitet werden müssen. Konservierungsmittel, wie sie in Cremes oder Lotionen eingesetzt werden, sind hier kontraproduktiv, weshalb man unter anderem auf Bakterienlysate zurückgreift. Diese Zubereitungen zeigen dann positive Effekte auf den Ceramidgehalt des Stratum corneum und führen zur Linderung der Symptomatik [2].
Galenik mit lebensfähigen Organismen ist gefragt
Sollte es jedoch gelingen, lebensfähige Mikroorganismen einzuarbeiten, könnte das neben den oben aufgeführten Effekten auch zu einer Integration der angewendeten Stämme in die mikrobielle Lebensgemeinschaft der Haut führen. Möglicherweise nur temporär, aber auch das wäre ein Benefit.
Studien dazu laufen, und es gibt bereits auf dem Markt verfügbare Produkte, die lebende Mikroorganismen zur topischen Anwendung enthalten. In einer Pilotstudie wurde die lokale Anwendung eines probiotischen Nahrungsergänzungsmittels mit sechs Bakterienstämmen als Bad bzw. Teilbad untersucht. Die Bewertung der Symptomatik durch die Studienteilnehmer zeigte bereits nach 7 Tagen signifikante Verbesserungen [3]. Die Applikationsform – Pulver für die Zubereitung eines Bades – bedarf dabei keiner Konservierung, welche die Lebensfähigkeit der Bakterienstämme oder deren Interaktion mit dem epidermalen Mikrobiom nach der Applikation beeinträchtigt.
Axt-Gadermann et al. wollten es aber noch genauer wissen. So untersuchten sie die Effektivität eines Teilbades mit neun Bakterienstämmen, die auf Basis der Daten aus einer Literaturrecherche ausgewählt wurden. Ziel war es, das dermale und epidermale Immunsystem zu modulieren, die Barrierefunktion positiv zu beeinflussen und durch Speziesantagonismus die Ausbreitung pathogener Arten zu hemmen [4]. Die Auswertung der Daten von 22 Patienten (Alter: 5–71 Jahre) über einen Zeitraum von 2 Wochen ergab in unterschiedlichen Dosierungen (9 × 109 KbE/l bzw. 4,5 × 109 KbE/l) eine deutliche klinische Verbesserung gemäß SCORAD (Score zur Einteilung der atopischen Dermatitis) (Abb.). Gleichzeitig wurde eine deutliche Reduktion von Staphylococcus aureus im Hautmikrobiom dokumentiert – bei wachsendem Anstieg der Diversität insbesondere im Hinblick auf die protektiven Bakterien wie Lactobacillus- oder Bifido-Gattungen. Es wurden keine unerwünschten Ereignisse oder Nebenwirkungen festgestellt. Die Studie wurde mit einer kleinen Probandengruppe durchgeführt, sodass weitere Untersuchungen nötig sind.
Ebenso sind auch in Bezug auf konservierungsmittelfreie Darreichungsformen wie Cremes, Lotionen oder Sprays weiterführende Studien notwendig. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit besteht darin, die untersuchten Teilbäder auch als Umschläge zu applizieren, was für die Betroffenen eine gute Option darstellt.
Die Anwendung topischer Probiotika kann die Krankheitslast in kurzer Zeit signifikant senken (7 Tage) [3,4]. Die klinischen Daten deuten darauf hin, dass so die Anwendung wirkstoffhaltiger Externa reduziert werden kann, was besonders bei Kindern wichtig ist – zumal keine Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Probiotika beobachtet wurden.
1 Geoghegan JA et al., Trends Mikrobiol 2018; 26: 484–97
2 Di Marzio L et al., Exp Dermatol 2003; 12: 615–20
3 Axt-Gadermann M et al., Akt Dermatol 2018; 44: 1–8
4 Axt-Gadermann M et al., Der Hautarzt 2021; 72: 549–56