Testosteron könnte einen präventiven Einfluss auf das kardiometabolische Risiko bei Männern haben. Dies ergab ein wissenschaftliches Review vom März 2020, dass die Wechselwirkungen zwischen kardiometabolischem Syndrom (CMS) und Androgenspiegeln untersuchte.
Das kardiometabolische Syndrom (cardiometabolic syndrome, CMS) umfasst eine Reihe eigenständiger, häufig interagierender Erkrankungen, wie etwa Diabetes mellitus und Atherosklerose. Beim Mann können diese Erkrankungen einen Testosteronmangel begünstigen. Der Testosteronmangel kann wiederum die Entwicklung einer Adipositas oder Diabetes mellitus zur Folge haben.[1] Leiden Männer unter konstant niedrigen Testosteronwerten, begleitet von anhaltenden Symptomen, liegt ein männlicher Hypogonadismus vor.
Die höchsten Testosteronwerte im Tagesprofil treten am frühen Morgen auf. Die Testosteron-Normwerte erwachsener Männer liegen bei etwa 12–30 nmol/l (3,5–8,7 ng/ml).[2,3] Ein symptomatischer Testosteronmangel liegt laut den Leitlinien der EAU (European Association of Urology) „Männlicher Hypognadismus“ vor, wenn in der Laboruntersuchung das Gesamt-Testosteron
In einer Arbeit vom März 2020 stellten Forscher den aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen zwischen kardiometabolischem Syndrom und Testosteronspiegel dar.[4] Eines der zentralen Ergebnisse: Niedrige Testosteronspiegel weisen mehrere gemeinsame Eigenschaften mit dem metabolischen Syndrom auf. Epidemiologische Studien ergaben, dass zwischen Atherosklerose und dem Testosteronspiegel bei Männern eine inverse Korrelation besteht.
So werden bei niedrigen Testosteronwerten im Blut vermehrt Gefäßverkalkungen gefunden.[4] Die Entstehung einer Atherosklerose kann jedoch durch physiologische Androgenspiegel unterdrückt werden. Zudem scheint langfristig zugeführtes Testosteron einen relaxierenden Effekt auf die isolierte Aorta zu haben und den Blutfluss in den Koronararterien bei Männern mit koronarer Herzerkrankung positiv zu beeinflussen.[4]
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich schließen, dass Testosteron einen präventiven Einfluss auf das Fortschreiten eines CMS haben könnte.[4] Dies wiederum kann, wie eingangs auch erwähnt, der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kardiovaskulären Ereignissen vorbeugen. Zuvor veröffentlichte Studien haben gezeigt, dass es dabei insbesondere darauf ankommt, den Serum-Testosteronspiegel im mittleren physiologischen Bereich zu halten.[1] Dies begründet sich darin, dass sowohl zu niedrige als auch zu hohe Werte das kardiovaskuläre beziehungsweise das Sterberisiko zu erhöhen scheinen (Abb.). Laut EAU-Leitlinie soll eine Testosteronbehandlung den Testosteron-Serumspiegel bis zum mittleren normalen Bereich (ca. 12,1–35,0 nmol/l) der jeweils spezifischen Altersgruppe von Männern wiederherstellen.
Zusammenfassend, so die Autoren des wissenschaftlichen Reviews, könnte Testosteron insbesondere bei älteren Männern mit Testosteronmangel einen gesundheitsfördernden Effekt auf endokrinologischer und vaskulärer Ebene haben.[4]
Liegt ein laborchemisch bestätigter Testosteronmangel vor und zeigt der Patient dazu passende Symptome, ist eine Testosterontherapie indiziert. Zu Beginn einer Testosteronbehandlung sollte ein kurz wirksames Präparat gegenüber einer lang wirkenden Depotverabreichung bevorzugt werden.[1] Hintergrund dieser Empfehlung in den EAU-Leitlinien ist, dass im Falle unerwünschter Nebenwirkungen die Therapie schneller angepasst werden kann.
Ziel der Therapie ist das Erreichen von Serum-Testosteronwerten im mittleren physiologischen Bereich, was regelmäßig durch Laboruntersuchungen überprüft werden sollte (im ersten Jahr der Behandlung alle drei Monate, danach jährlich; jeweils zusammen mit einer körperlichen Untersuchung, digital-rektaler Untersuchung sowie PSA- und Blutbildbestimmung). Kontraindikationen für eine Testosterontherapie stellen z. B. ein Prostata- oder Mammakarzinom in der Anamnese, eine Polyzythämie sowie ein bestehender Kinderwunsch dar.
Der Hausarzt hat bei Patienten mit der Indikation zur Testosterontherapie die Möglichkeit, den Patienten selbst zu behandeln, wenn er mit der Therapie vertraut ist. Alternativ kann er den Patienten zum urologischen Spezialisten überweisen.
Die Autorin
Jasmin Kurowski
[1] Dohle GR et al., J Reproduktionsmed Endokrinol 2018; 15 (2): 71–88
[2] Kanakis GA et al., Maturitas 2019; 125: 41–44
[3] Jockenhövel F, Schubert M, Male Hypogonadism, 2nd edition, UNI-MED Verlag; 2007; 85
[4] Kirlangic OF et al., Sex Med 2020; 8: 132–155