Metformin gehört zu den Klassikern der Pharmakologie: 1957 auf den Markt gekommen, ist es noch immer das weltweit am häufigsten verschriebene Medikament gegen Diabetes Typ 2. Seit einigen Jahren erlebt es eine zweite Karriere als Hoffnungsträger der Anti-Aging-Medizin.
Metformin verstärkt die Wirkung körpereigenen Insulins und wirkt so auf den Blutzuckerspiegel. Im Gegensatz zu anderen Antidiabetika (z. B. Sulfonylharnstoffe) verursacht Metformin keinen Unterzucker. Metformin gehört zur Substanzgruppe der Biguanide und ist auch in der Gynäkologie und Geburtshilfe nicht unbekannt: Metformin kann die Entstehung eines Schwangerschaftsdiabetes verhindern und die Häufigkeit von Präeklampsien bei Schwangeren mit Übergewicht deutlich senken. Bei Patientinnen mit polyzystischem Ovarial(PCO)-Syndrom normalisiert sich der Zyklus durch die Gabe von Metformin und es kommt wieder zu spontanen Eisprüngen. Während einer In-vitro-Fertilisations(IVF)-Behandlung kommt es unter Metformin bei diesen Patientinnen zu einer signifikant niedrigeren Zahl an Überstimulationen.
Schon länger hatten klinische Studien gezeigt, dass Metformin nicht nur auf den Blutzucker wirkt, sondern vielfältige andere Wirkungen zeigt. In vorklinischen Untersuchungen wurden Hinweise gefunden, dass Metformin einen günstigen Effekt auf klassische altersassoziierte Morbiditäten wie Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs oder kognitive Störungen hat.
Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht abschließend geklärt. Klar ist, dass Metformin die Synthese von Zucker in der Leber bremst und damit einen positiven Einfluss auf die Insulinresistenz hat. Zudem beeinflusst es unzählige biochemische Prozesse im Körper und scheint als CR-Mimetikum (calory restriction) zu wirken. Die Moleküle mTOR und AMPK reduzieren die Zuckerspeicherung in den Zellen und täuschen so einen Effekt vor, der dem Fasten ähnelt (Abb.).[1] Dass Fastenperioden zu mehr Gesundheit und einer längeren Lebenserwartung führen, ist mittlerweile die am besten belegte Anti-Aging-Methode.
Ganz aktuell wird noch ein weiterer möglicher Wirkmechanismus berichtet: Demnach soll bei der Metformin-vermittelten Gewichtsreduktion ein Protein namens GDF-15 eine Schlüsselrolle spielen. Im Gehirn bindet GDF-15 an einen Rezeptor und vermittelt dadurch das Gefühl von Sättigung. Experimente mit Zellkulturen und im Maussystem konnten nun zeigen, dass das appetithemmende Protein auch beim Gebrauch von Metformin vermehrt gebildet wird.[2,3]
Tatsächlich ist der Effekt auf Appetit und Gewicht auch auf anderen Wegen zu erreichen: durch Fasten oder ausreichende Bewegung zum Beispiel. Und Studien zeigen, dass körperliche Bewegung und Fasten ebenfalls die GDF-15-Konzentration im Blut erhöhen, was durchaus für den CR-Mimikry-Effekt spricht.
Noch mehr Aufsehen als die Tierversuche erregten aber vor allem Studien, die zeigten, dass Diabetiker, welche auf Metformin eingestellt waren, nicht nur länger lebten als andere Diabetiker. Sie lebten auch länger als Menschen, die gar keinen Diabetes hatten.[4] Die Daten überzeugten auch die US-amerikanische FDA, die daraufhin 2015 erstmals eine Studie genehmigte, die für die Anti-Aging-Medizin eine neue Epoche einläutete: TAME – Targeting Aging with Metformin – soll untersuchen, ob Metformin tatsächlich Alterungsprozesse hemmt und das Leben verlängert. Das Sensationelle an dieser Studie ist, dass erstmals ein Medikament rein auf seine Anti-Aging-Wirkung hin untersucht wird. 3.000 Patienten im Alter von 65–79 Jahren mit einer bis drei definierten Grunderkrankungen erhalten zweimal täglich 850 mg Metformin oder Placebo und werden durchschnittlich 45 Monate nachbeobachtet. Mit dieser Phase-III-Studie soll gezeigt oder widerlegt werden, dass Metformin die Lebensdauer verlängern und ein Altern in Gesundheit unterstützen kann. Da Metformin seit Langem generisch ist, gestaltet sich die Suche nach Sponsoren aber offensichtlich schwierig.
Was Metformin über die gegenwärtige Studienlage hinaus als Anti-Aging-Medikament prädestiniert, ist auch die Tatsache, dass es bereits seit Jahrzehnten bekannt und erprobt ist. Die Nebenwirkungen bestehen zumeist lediglich in einem leichten Unwohlsein im Magen-Darm-Bereich, sie treten jedoch fast ausschließlich bei hohen Dosierungen auf, die bei Diabetes erforderlich sind (Tagesdosis im Durchschnitt 2.000 mg). Für Anti-Aging-Zwecke geht man davon aus, dass zweimal 500 mg täglich zu den Mahlzeiten ausreichen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk
Metropol Medical Center Nürnberg
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging-Medizin (GSAAM)
[1] Barzilai N et al., Cell Metab 2016; 23: 1060–1065
[2] Day EA et al., Nature Metabolism 2019; 1: 1202–1208
[3] Coll AP et al., Nature 2020; 578, 444–448
[4] Bannister CA et al., Diabetes Obes Metab 2014; 16: 1165–1173