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Gynäkologie

PMS und andere zyklusabhängige Störungen

Kontrazeption im Langzyklus ohne hormonfreies Intervall

Prämenstruelles Syndrom (PMS) und Dysmenorrhoe können die Lebensqualität betroffener Frauen schwer beeinträchtigen. Die Einnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) im normalen 21/7-Zyklus bessert die Symptome oft nicht. Die Anwendung im Langzyklus kann dagegen ein probates Konzept zur Linderung der Symptome sein, vor allem bei Präparaten ohne hormonfreies Intervall.

Etwa 70–90 % der Frauen im reproduktionsfähigen Alter sind von körperlichen und psychischen Veränderungen in der Lutealphase betroffen. Oft handelt es sich um komplexe körperliche und emotionale Beschwerden, die in ihrer Gesamtheit als prämenstruelles Syndrom (PMS) bezeichnet werden. Die Symptome beginnen 4–14 Tage vor der Monatsblutung mit variablem Schweregrad und sistieren typischerweise mit Beginn der Regelblutung. Bei 3–8 % aller Frauen besteht eine zyklusabhängige ausgeprägte psychische Symptomatik.[1,2] Durch weniger Schwangerschaften und kürzere Stillzeiten ist die Zahl der Menstruationsblutungen im Leben einer Frau in den vergangenen 100 Jahren deutlich gestiegen. Statistisch erlebt eine Frau maximal etwa 450 Menstruationsblutungen und die Wahrscheinlichkeit, unter zyklusabhängigen Beschwerden zu leiden, steigt mit der Zahl der Lebenszeit-Blutungen. Zu den Beschwerden gehören neben dem PMS perimenstruelle Blutungsstörungen, Dysmenorrhoe und zyklusabhängige Migräne. Ebenso zeigen bestimmte Erkrankungen eine ausgesprochen zyklusabhängige Beschwerdesymptomatik, z. B. Endometriose, Uterus myomatosus und polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS).[3] Bei betroffenen Frauen kann eine Verringerung der Anzahl der Menstruationen helfen, die Symptome zu reduzieren und damit eine bessere Lebensqualität zu erreichen. Die Anwendung von KOK im Langzyklus kann dazu ein probates therapeutisches Konzept darstellen.[4,5] Viele Frauen wünschen sich zudem weniger Blutungen im Jahr aus „Lifestyle“-Gründen (Urlaub, Sport …).[6] Eine physiologische Notwendigkeit für Frauen ohne Kinderwunsch, regelmäßige Menstruationsblutungen zu haben, gibt es nicht.


Kontrazeptive Effektivität

Die Sicherheit einer Kontrazeptionsmethode wird üblicherweise mit dem Pearl-Index beschrieben. Ein Pearl-Index deutlich unter eins, wie er in Zulassungsstudien durch Monitoring und Schulung der Probandinnen oft erreicht wird, entspricht in der Praxis nicht der Realität. Häufig kommt es zu Anwendungsfehlern und in der Folge zu „Pillenversagern“. In der 2017 veröffentlichten TANCO-Studie berichteten 47 % der Frauen aller Altersgruppen während eines Beobachtungzeitraums (drei Monate) von Einnahmefehlern. Mehr als 8 % der Anwenderinnen gaben an, während dieses Zeitraums die Pilleneinnahme mindestens viermal oder häufiger vergessen zu haben (Abb. 1).[7] Die meisten Einnahmefehler passieren im Zusammenhang mit dem siebentägigen Intervall – also in der ersten Einnahmewoche. Einnahmefehler in dieser Phase der Pillenanwendung sind jedoch mit dem höchsten Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft verbunden.8 Wenn das hormonfreie Intervall entfällt, vermindert sich auch das Risiko für Einnahmefehler. Man darf also davon ausgehen, dass die kontrazeptionelle Effektivität im Langzyklus besser ist.[9] Das erste Präparat explizit für den Langzyklus wurde 2003 von der US-amerikanischen Behörde FDA zugelassen. Dabei handelte es sich um ein Kombinationspräparat mit 30 µg EE und 150 µg Levonorgestrel für die kontinuierliche Anwendung über 84 Tage mit nachfolgend sieben hormonfreien Tagen. In Deutschland sind derzeit zwei zugelassene Präparate für den Langzyklus mit Pause verfügbar. In den folgenden Jahren wurden Modifikationen dieses Einnahmeschemas entwickelt, insbesondere wurde das hormonfreie Intervall durch ein „low-dose“ EE-Intervall ersetzt. Damit kann ein noch besserer Effekt auf die Suppression der Ovulation erzielt werden und Symptome, die potenziell auf den Estrogenabfall zurückzuführen sind, konnten damit reduziert werden.[10,11] In Deutschland zugelassen für dieses Schema ist Seasonique® (30 µg EE + 0,15 mg LNG über 84 Tage, gefolgt von sieben Tabletten mit 10 µg EE).

In einer Metaanalyse unter Einschluss von 161 Studien konnten u. a. die Vorteile eines „low-dose“ EE-Intervalls gegenüber einem hormonfreien Intervall im Hinblick auf die ovarielle Suppression und die daraus resultierende kontrazeptive Sicherheit gezeigt werden.3,12 Ungeachtet des Effektes auf die ovarielle Suppression erscheint den meisten Anwenderinnen der Langzyklus einfacher umsetzbar zu sein als das klassische Schema, da das fehlende bzw. seltene einnahmefreie Intervall weniger Fehlermöglichkeiten bei der Fortsetzung der Pilleneinnahme bietet.[6]


Sicherheit

Das Auftreten von thromboembolischen Ereignissen wird durch den Langzyklus nicht beeinflusst. Eine Auswertung von zwölf kontrollierten Studien kam zu dem Schluss, dass es bei zu keinem Anstieg des VTE-Risikos im Vergleich zur zyklischen Anwendung kommt.[6] Weiter konnte gezeigt werden, dass die Anwendung des Langzyklus im Vergleich zum konventionellen Regime zu keiner signifikanten Änderung der Gerinnungsparameter führt.[13] Auch eine retrospektive Kohortenstudie in den USA von 2018 mit mehr als 700.000 Frauen fand keine Hinweise auf unterschiedliche thrombovaskuläre Risiken im konventionellen Zyklus und im Langzyklus.[14] Länger andauernde Oligo / Amenorrhoe ohne hormonelle Therapie geht mit einem erhöhten Risiko für endometriale Hyperplasie bzw. einem höheren Endometriumkarzinom­risiko einher. Diese Risiko besteht im Langzyklus nicht, da die Gestagenkomponente im KOK für eine ausreichende Suppression der endometrialen Proliferation sorgt. Eine Studie, die den Effekt des Langzyklus mit „low-dose“ EE (10 µg) statt hormonfreiem Intervall bei 63 Frauen über ein Jahr untersuchte, konnte keinen pathologischen Effekt auf das Endometrium zeigen.[15] Vergleiche zwischen dem konventionellen Regime und dem Langzyklus (84/7) fanden im Langzyklus einen initialen Anstieg azyklischer Blutungen, jedoch nahm die Anzahl dieser Blutungen nach dem vierten Langzyklus ab und glich sich dem konventionellen Regime an.[16] Auch bei initial häufigerem Spotting kam es nach dem neunten Monat der Anwendung zu einer signifikant geringeren Zahl von Spotting-Episoden im Vergleich zum konventionellen Schema.[17]


Effekt auf zyklusabhängige Störungen

Derzeit geht man davon aus, dass die ovariellen Steroide modulierende Wirkung sowohl auf exzitatorische als auch inhibitorische Neurotransmitter ausüben und dass die PMS-Symptome auf eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Estradiol und Progesteron zurückzuführen sind. Beide Steroide interagieren mit dem Serotoninstoffwechsel und entfalten so Wirkungen im ZNS mit entsprechendem Effekt auf Kognition und Stimmung. Als Alternative zur therapeutisch oft eingesetzten Gabe von SSRI (selective serotonin reuptake inhibitor) bzw. SNRI (selective noradrenaline reuptake inhibitors) bietet eine effektive Ovulationshemmung durch KOK einen effizienten Zusatznutzen. Im Vergleich zur zyklischen Gabe hat sich der Langzyklus als signifikant wirksamer erwiesen.[18] Die Anwendung des Langzyklus stellt auch für Frauen mit Endometriose oder Uterus myomatosus ein etabliertes Behandlungskonzept dar, das gegenüber dem konventionellen Regime deutliche Vorteile aufweisen kann.[19, 20] Auch bei Migräne ohne Aura, bei der sich in ca. 50 % eine klare Zyklusabhängigkeit zeigt, spielt der Abfall der Estrogenspiegel eine wichtige Rolle.[20,21] Über Veränderungen des Prostaglandineffektes am Gefäßsystem kann es zur Entstehung zentraler vaskulärer Spasmen kommen.[22,23] Und offensichtlich lassen sich in vielen Fällen Migräneattacken durch möglichst konstante, wenig fluktuierende Estrogenspiegel vermeiden (s. Abb. 2). Die Umstellung vom konventionellen Regime (21/7) auf einen Langzyklus führte in einer amerikanischen Studie zur signifikanten Reduk­tion der Migräneattacken.[24] Und beim Vergleich zwischen einem Langzyklus mit hormonfreiem Intervall sowie einem Langzyklus mit low-dose-EE traten signifikant häufiger Migräneattacken im hormonfreien Intervall auf.[25] Die aktuelle Datenlage ist in einer Metaanalyse zusammengefasst.[6]

Zielgruppengerecht aufbereitetet Informationen für Patientinnen finden Sie im Internet unter www.pille-ohne-pause.de.

Fazit für die Praxis

Der Langzyklus bietet Vorteile bei zyklusabhängigen Beschwerden und wird bevorzugt bei PMS oder Erkrankungen wie Endometriose, Uterus myomatosus und PCOS eingesetzt. Im Langzyklus erfolgt die Hormongabe üblicherweise über 84 Tage. Neben dem „starren“ 84+7-Schema haben sich sowohl die flexible Anwendung als auch die kontinuierliche Hormongabe – ohne hormonfreies Intervall – etabliert. Eine niedrig dosierte Estrogengabe in der eigentlichen Hormonpause kann für viele Frauen mit PMS die Symptomlast weiter mindern. Seasonique® (84 x 0,3 mg EE, 0,15 mg LNG; 7 x 0,1 mg EE) kann bei diesen Frauen die Lebensqualität verbessern.

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Impressum

Bericht und  Redaktion: Dr. Reinhard Merz  |  MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Theramex GmbH (Zürich, Schweiz)

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