Seit der Geburt von Louise Brown vor mehr als vierzig Jahren wird darüber diskutiert, ob die In-vitro-Fertilisation (IVF) mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden ist. Vor allem epigenetische Veränderungen stehen hier im Fokus. Die epigenetische Regulation von einzelnen Zellen oder Geweben ist verantwortlich, um die Identität und die Funktion festzulegen. Veränderungen der festgelegten epigenetischen Identität können ein Auslöser von z. B. Krankheiten sein. Vor allem in der Eizellspende wird dieses Thema kontrovers diskutiert. Einer der wichtigsten regulatorischen Mechanismen sind Histonmodifikationen. Anders als in Maus-Oozyten zeigt die permissive Markierung trimethyliertes Histon H3-Lysin 4 (H3K4me3) weitgehend kanonische Muster an Promotoren in menschlichen Oozyten. Nach der Befruchtung ändern Embryonen im Zuge der prezygotischen Genomaktivierung (Prä-ZGA) in CpG-reichen regulatorischen Regionen den H3K27me3-Methylierungsstatus in Abhängigkeit vom X-Chromosomenstatus. Das zeigte eine Arbeit von Peter Rugg-Gunn in Cambridge. Die Erforschung von epigenetischen Mechanismen ist in den vergangenen Jahren stark vorangetrieben worden. Gerade neue Einzelzellmethoden helfen, Zusammenhänge der Genregulation in einzelnen Zellen zu erforschen.
Rugg-Gunn P et al., ESHRE 2020; Abstract O-107
Es besteht ein klarer Trend zu Verminderung des Alters bei der Menarche. Der Mittelwert liegt heute bei ca 13,5 Jahren, bei der ersten Erhebung im Jahr 1848 betrug dieses Alter noch 17 Jahre. Die Ursachen dafür sind unklar. Diskutiert werden Umweltfaktoren und nicht zuletzt endokrine Disruptoren – Substanzen, die auch in sehr niedrigen Konzentrationen die Wirkung von endogenen Hormonen nachahmen, blockieren oder modifizieren. Diese sind u. a. in Körperpflegemittteln (Daily care products) wie Duschgel, Shampoos, Make-up, Zahncreme, Hautcremes und Seifen enthalten. Erwachsene Frauen verwenden ca. 12 dieser Produkte täglich, Mädchen bis 18 Jahre ca. 17 und Männer immerhin 6–9. Endokrine Disruptoren (ED) sind molekular ähnlich strukturiert wie Steroidhormone. Die hormonelle Wirksamkeit entsteht durch Bindung an Steroidhormon-Rezeptoren wie Estrogen-Rezeptoren (ER), Androgen-Rezeptoren (AR) sowie an Peroxisom-Proliferator-aktivierte Rezeptoren (PPAR). ER, AR und PPAR regulieren als Transkriptionsfaktoren die Expression einer Vielzahl von Genen und ED können dadurch für eine potenzielle Veränderung der Genexpression verantwortlich sein. Die Chamacos-Studie ging der Frage nach, ob der Zeitpunkt des Beginns der Pubertät und der Menarche in Mädchen assoziiert ist mit den Konzentrationen dieser Substanzen. Dazu wurden im mütterlichen Urin während der Schwangerschaft Proben genommen und im kindlichen Urin im Alter von neun Jahren. 601 Frauen waren 1999–2000 eingeschlossen worden, klinische Untersuchungen der Kinder (Tanner Stadien, BMI ...) fanden alle neun Monate während der Phase von 9–13 Jahren statt. Die Ergebnisse zeigten keinen Effekt für den Pubertätsbeginn bei Jungen – wobei der schwerer zu messen ist. BMI war der stärkste Prädiktor für eine frühzeitige Menarche bei Mädchen, aber auch endokrine Disruptoren zeigten Effekte. Bei pränataler Exposition führten Phthalate zu einer sechs Monate früheren Pubarche und Triclosan zu einer vier Monate früheren Menarche. Peripuberal führten Parabene zu einer sechs Monate früheren Menarche. Prof. Dr. Wildt (Innsbruck) fasste zusammen: Die Aufnahme endokriner Disruptoren in alltäglichen Mitteln zur Körperpflege bei der Mutter und bei den Kindern, könne bei Mädchen zu einer Vorverlegung der Pubertät, insbesondere der Menarche führen.
Harley KG et al., Hum Reprod 2019; 34: 109–117
Wenn in den Zellen des Trophektoderms ein Mosaikbefund vorliegt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass in den Zellen, die im Embryoblasten, der gleiche Mosaikbefund vorliegt oder ob die Zellen des Embryoblasten normal oder chromosomal verändert sind. Mosaike Embryonen haben das Potenzial zu implantieren und zu gesunden Kindern zu führen. Ihr Potenzial ist je nach prozentualem Vorliegen des Mosaiks unterschiedlich. Eine Re-Biopsie konnte prozentual niedrigere Mosaike identifizieren und somit einen Transfer ermöglichen. Als Fazit für die Praxis wurde aber festgehalten: Zunächst sollten immer euploide Embryonen gewählt werden und Vorsicht ist vor allem geboten bei lebensfähigen Trisomien. Zwingend notwendig ist auf jeden Fall eine gute Beratung und Aufklärung über Risiken.
Diskussion – Vortrag Prof. V. Nordhoff, Münster
Die gegengeschlechtliche Hormontherapie gilt als wesentlicher Bestandteil der Behandlung transsexueller Männer und Frauen. Allerdings sind die Kenntnisse über die erwünschten und vor allem die unerwünschten Nebenwirkungen der Hormonbehandlung lückenhaft. Diese Patienten können als Modell für den Einfluss gegengeschlechtlicher Hormone auf die Gonaden, das endokrine System und metabolische Parameter angesehen werden. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass das genetisch definierte Geschlecht trotz der gegengeschlechtlichen Hormontherapie unverändert fortbesteht. Eine spanische Studie untersuchte die endokrinen Veränderungen und der Ovarmorphologie bei Frau-zu-Mann (F-t-M) Transsexuellen unter hoch dosierter Behandlung mit Testosteron. Dazu wurden 60 F-t-M Patienten transdermal oder intramuskulär mit Testosteron behandelt und vor Behandlungsbeginn, nach zwei Jahren vor der Ovarektomie/Hysterektomie und sechs Monate postoperativ untersucht. Es wurden anthropometrische, endokrine, metabolische (HOMA-Index) sowie morphologische Parameter (Ovarien) erhoben. Dabei war die Langzeitbehandlung mit Testosteron mit typischen Veränderungen der zirkulierenden Gonadotropinen und Sexualsteroiden verbunden. Postoperativ bestand ein hypergonadotroper Status. Histologisch fanden sich charakteristische follikuläre und stromale Veränderungen, die zum Teil charakteristisch für ein PCO-Syndrom sind. Nach Ansicht der Autoren können Transsexuelle dadurch ein Modell für den Einfluss gegengeschlechtlicher Hormone auf den Organismus und auch für das PCO-Syndrom darstellen.
Casalis Soler G et al.,ESHRE 2020; Abstract O-200
Etwa 5 % der In-vitro-Fertilisations(IFV)-Zyklen und 15 % der Schwangerschaften nach IVF enden mit einem Abort. Die prognostische Bedeutung eines Abortes für weitere Schwangerschaften für den zeitlichen Abstand zum nächsten IVF-Zyklus sind dabei unklar. Da keine evidenzbasierten Daten vorliegen, ist eine Wartezeit von drei Monaten in der Praxis üblich.[1] Eine retrospektive single-center Kohortenstudie mit 257 Patientinnen zwischen 18 und 40 Jahren untersuchte alle Aborte bis zur 14. SSW – spontan, medikamentös oder chirurgisch. Die Wahrscheinlichkeit für eine Lebendgeburt bei Eintreten einer Schwangerschaft im ersten Folgezyklus war höher bei kürzerem Zeitabstand (57,5 Tage), die Wahrscheinlichkeit für einen erneuten Abort war höher bei längerem Zeitabstand (82,5 Tage). Die Autoren folgern für die Praxis: Ein erneuter IVF-Versuch nach Fehlgeburt sollte nicht hinausgeschoben werden. Kürzere Abstände sind dagegen mit einer höheren Lebendgeburtrate verbunden. Eine andere retrospektive Studie untersuchte schon 2017 bei gut 100.000 Frauen die Lebendgeburtenraten nach bis zu sieben IVF-Zyklen, wenn beim ersten IVF-Zyklus keine Schwangerschaft, ein Abort nach einer klinischen Schwangerschaft oder eine Lebendgeburt eingetreten war.[2] Entsprechend der oben genannten Darstellung waren die Erfolgschancen im folgenden IVF-Zyklus nach einem Abort 40 % höher und nach einer Geburt sogar 70 % höher als bei Frauen, die im ersten IVF-Zyklus nicht schwanger geworden waren. Ein Abort ist folglich ein positiver prognostischer Faktor für eine folgende Schwangerschaft. Das bestätigen alte Daten von 2003[3], die zeigen, dass nach einem Abort die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen folgenden Schwangerschaft erhöht war. Die Schwangerschaftschancen pro Menstruationszyklus sind demnach etwa 50 % höher als bei Frauen, die zuvor keinen Abort hatten. Mit anderen Worten: Wenn die Erfolgschance normalerweise pro Menstruationszyklus bei 20 % liegt, beträgt sie nach einem Abort etwa 30 %.
1 Sharon-Weiner M et al., ESHRE 2020; Abstract O-256
2Cameron NJ et al., Hum Reprod 2017; 32: 2287–2297
3 Wang X et al., Fertil Steril 2003; 79: 577–584
Zyklus-Apps sind meist ungenau. Während sie das für die Kontrazeption fast untauglich macht, gibt es bei der Schwangerschaftsplanung immerhin ein gewisses Potenzial. Das Problem: Der fertilste Tag ist zwar meistens im angegebenen Zeitraum beinhaltet, das fertile Fenster schwankt aber stark zwischen den Apps und ist ungenau. Die meisten Apps sind nicht ausreichend extern validiert und haben kommerzielle Interessen. Eine Studie aus Heidelberg untersuchte 12.612 Zyklen von 1.051 Frauen, basierend auf der Sensiplan NFP App, die die symptothermale Methode nutzt. Die mittlere Zykluslänge betrug 29,7 ± 7,6 Tage und am häufigsten waren die Zykluslängen 28, 27, 29 und 26 Tage. Die Varianz der Zykluslänge innerhalb von zwölf Zyklen betrug bei 62,5 % > 7 Tage und bei 32,1 % 3–7 Tage. Nur bei 5,3 % war sie < 3 Tage. 35- bis 39-Jährige haben die geringste Varianz der Zykluslänge. Die meisten Ovulationen finden an Tag 15, 14, 16 und 17 statt.
Freis A et al., ESHRE 2020; Abstract O-093
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