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Reprofacts 2022

L-Thyroxin, Progesteron und ein neuer Outcome-Parameter

Endokrinologische Aspekte der Fertilität

Barbara Hauter

5.10.2022

Ein konzentriertes Update zu den endokrinologischen Highlights der ESHRE stellte Prof. Dr. med. Barbara Sonntag (Hamburg) vor. Es ging u. a. um L-Thyroxin in der Schwangerschaft, um Progesteronspiegel zum Zeitpunkt des Embryotransfers sowie um die kumulative Lebendgeburtrate als neuen Outcome-Parameter.

Die Schilddrüsenfunktion spielt bereits präkonzeptionell eine wichtige Rolle. Bei unerfülltem Kinderwunsch gehört die Überprüfung der Schilddrüsenwerte daher schon lange zum diagnostischen Standardrepertoire.

Autoimmunthyreopathie gilt als ein Risikofaktor für Subfertilität und Frühgeburtlichkeit. Die Zusammenhänge sind jedoch noch nicht abschließend geklärt. Eventuell kann die Schilddrüse auf die komplexen Anforderungen einer Schwangerschaft nicht angemessen reagieren. In einer Studie von Rima Dhillon-Smith (Birmingham, England) wurden Thyreoperoxidase-Antikörper(TPO-AK)-positive Frauen, die einen Abort erlitten hatten, bis zum Ende der Schwangerschaft mit L-Thyroxin 50 behandelt.

Primärer Endpunkt war die Lebendgeburtrate, und da gab es keinen Unterschied. In der T4-LIFE-Studie von Myrthe van Dijk et al. wurden ebenfalls TPO-AK-positive Frauen betrachtet, deren TSH im Normalbereich unter 4 lag und die mindestens zwei konsekutive Aborte gehabt hatten. Sie erhielten gewichts- und TSH-adaptiert bis zum Ende der Schwangerschaft L-Thyroxin. Dabei bestätigte sich die Studienlage: Bei euthyreoten, Thyreoperoxidase-Antikörper-positiven Patientinnen mit habituellem Abort sollte L-Thyroxin nicht routinemäßig gegeben werden.

Patientinnen mit Kinderwunsch sollten aber auf jeden Fall ein Screening auf TSH und fT4 erhalten. Ein ergänzendes präkonzeptionelles Screening auf TPO-Antikörper und eine Routine-TSH-Bestimmung in der Frühschwangerschaft ergeben zusammen eine akzeptable Strategie. Im Verlauf der Schwangerschaft sollte das TSH dann regelmäßig bestimmt werden. Ob die Gabe von L-Thyroxin auch negative Auswirkungen haben könnte, ist bislang noch nicht abschließend geklärt.

Progesteronspiegel zum Zeitpunkt des Embryotransfers

Der Preliminary World Report des ICMART (International Committee for Monitoring Assisted Reproductive Technologies) präsentiert Real-World-Daten von über drei Millionen ART-Zyklen aus 79 Ländern, inklusive China. Das sind bis zu 95 % aller ART-Zyklen weltweit. Marte Saupstad (Kopenhagen, Dänemark) beschäftigt sich mit der Frage, welche Progesteronspiegel dabei wichtig sind. Der bisherige Wissensstand: Am Tag des Embryotransfers im artifiziellen Zyklus ist er von Bedeutung, der Grenzwert liegt bei 10 nmol/l.  Darunter scheint das Outcome schlechter zu werden. In einer spanischen Studie konnte nachgewiesen werden, dass das fehlende Progesteron durch subkutane Injektion ausgeglichen werden konnte.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine retro­spektive Studie für den natürlichen Zyklus. In einer Metaanalyse zum natürlichen Zyklus zeigte sich ein Vorteil für die zusätzliche vaginale oder orale Gabe von Progesteron. In der Studie mit über 600 Teilnehmerinnen im modifizierten natürlichen Zyklus hatte am Tag des Embryotransfers eine von vier Frauen einen Progesteronspiegel von unter 29,4 nmol/l. Bei der Schwangerschaftsrate zeigte sich überraschend kein Unterschied zwischen dem unteren Viertel und den Frauen mit Werten über 29,3 nmol/l. Die Studienlage ist also nicht einheitlich.

Insgesamt scheint sich aber zu zeigen, dass im artifiziellen Zyklus der optimale Progesteronspiegel bei 30 nmol/l liegt. Das bestätigt sich im modifizierten natürlichen Zyklus nicht. Allerdings: Mit der Messung im Blut hat man noch keine zuverlässige Aussage über die Wirkung im Uterus. Ebenso gibt es für den Zeitpunkt der Messung keine standardisierten Vorgaben. Ob Progesteron gebraucht wird oder nicht, sei letztlich klinisch zu entscheiden, folgern die Autoren – z. B. wenn die Lutealphase kürzer als 12 Tage ist.

Kumulative Lebendgeburtrate als neuer Outcome-Parameter

Sacha Stormlund (Kopenhagen, Dänemark) untersuchte normalgewichtige Frauen mit normalem Zyklus im Alter von 18 bis 40 Jahren randomisiert in einem Arm mit der Freeze-All-Strategie versus Fresh-Transfer-Strategie. Es zeigte sich kein Unterschied in den Gruppen, weder in der Schwangerschaftsrate noch in der Lebendgeburtrate. Das Fazit: Bei fehlendem Risiko für das ovarielle Hyperstimulationssyndrom (OHSS) kann die generelle Freeze-All-Strategie nicht empfohlen werden.

Die skandinavische Studie steht somit im Gegensatz zum australischen Freeze-All-Vorgehen, wahrscheinlich, weil in Skandinavien mehr Rücksicht auf das Wohlergehen der Kinder genommen wird und Kryo ein invasiver Vorgang ist. Sekundäres Studienziel war die kumulative Lebendgeburtrate in den nachfolgenden Auftauzyklen. Auch diese waren nicht unterschiedlich zwischen den beiden Vergleichsgruppen. Allerdings kam es bei Freeze-All zu einem verzögerten Schwangerschaftseintritt. Freeze-All ist somit eine gleichwertige Alternative für Patientinnen mit drohendem OHSS.

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