Technische Mittel wie die Verwendung von Sensoren und Pumpen haben bei der Diabetesbehandlung erhebliche Fortschritte gebracht. Sie unterliegen allerdings, wie Prof. Dr. med. Reinhard Holl von der Universität Ulm berichtete, zahlreichen sozialökonomischen Einflussfaktoren. Dazu zählen Alter, Geschlecht, Bundesland, regionale Deprivation sowie der Migrationshintergrund.
Hinsichtlich der Verwendung dieser neuartigen Diabetestechnologie, die laut Holl gegenwärtig Deutschland und Österreich erobere, bestehen zwischen den Geschlechtern kaum Unterschiede, wohl aber bei der Altersverteilung. Bei Kindern ist seit 2003/2005 ein stark zunehmender Einsatz von Pumpen festzustellen, wesentlich geringer allerdings bei Erwachsenen. Hinsichtlich der kontinuierlichen Glucosemessung (CGM) setzte seit 2015 fast schlagartig die Zunahme bei Kindern und Jugendlichen ein, mit leichter Verzögerung seit 2017 auch bei Erwachsenen. Darüber geben zahlreiche „proof-of-principle“-Studien mit häufig technikaffinen Freiwilligen und „überschaubarer“ Teilnehmerzahl Auskunft. Anders als bei Medikamentenuntersuchungen ist dabei eine Verblindung nicht vorgesehen.
In Bezug auf die regionalen Unterschiede zeigt sich laut Holl im Norden eine Bevorzugung der Pumpe – mit Brandenburg als Spitzenbereich ‒, während der Süden, z.B. Bayern, noch eine gewisse Zurückhaltung erkennen lässt. Bei Migranten ist, zumindest bei Pumpen, in der ersten Generation eine geringere Nutzungsneigung erkennbar, die sich aber bereits in der zweiten Generation, etwa bei der CGM-Verwendung, fast an die der nicht migrantischen Bevölkerung herangeschoben hat. Deprivation äußere sich durch einen „Mangel an Ressourcen“, der allerdings multimodal und nicht allein infolge finanzieller Armut zu erklären sei.
Patientenwunsch: Weniger Datenflut, mehr Therapierelevanz!
Die innovative Diabetestechnologie bezeichnete Dipl. oec. troph. Heike Recktenwald (Firma Dexcom, Mainz) als „zentralen Treiber, erstattungsfähig, leistungsfähig“. Patienten wünschten sich eine Technologie, die zu ihren Bedürfnissen passe. Dazu gehöre insbesondere eine „einfache und diskrete“ Sensortechnik. So ist nach Darstellung der Expertin der neue G7-Sensor des Unternehmens rund 60% kleiner und flacher. Dieses Gerät ist allerdings noch nicht auf dem Markt erhältlich, und über das Datum seiner Einführung gab man sich bisher diskret.
Recktenwald verwies indes darauf, dass die Patienten „weniger Datenflut und mehr relevante Informationen“ wünschten ‒ immer auch im Hinblick auf eine verlässliche Therapieentscheidung. Zudem müsse die Sensor-Handhabung einfach und hinsichtlich der Glucosewerte mit „null Zeitaufwand“ verbunden sein. Warnungen sollten den Patienten aussagekräftig erreichen und etwa bei einem Alarm, dessen Dringlichkeit bei dem neuen Sensor farblich gekennzeichnet werden soll, mit der Anleitung zu aktivem Handeln gekoppelt sein. Der Patient möchte die richtige Information sofort parat haben.
Diabetes Kongress 2022, Berlin, Mai 2022
Dexcom-Symposium „Wie sieht die Zukunft aus? Strukturen und Maßnahmen für ein einfaches, digital unterstütztes Diabetesmanagement“, 26.05.2022