Adipositas ist mit einer Reduktion der Lebenserwartung assoziiert und es zeigt sich ein gradueller Anstieg des Risikos mit dem BMI. Spätestens ab einem BMI von 30 ist es Zeit, zu handeln – das sollte die Maxime in allen Arztpraxen sein. Dieser Beitrag stellt die Hintergründe vor.
In Deutschland stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch immer an erster Stelle der Todesursachen. Prof. Dr. med. Stephan Jacob (Villingen-Schwenningen) präsentierte die aktuellen Zahlen und strich dabei die Bedeutung der Adipositas heraus: „Etwas vereinfacht kann man sagen: Wer einen normalen BMI hat, hat eine 80%ige Chance, 70 Jahre alt zu werden. Wer einen BMI zwischen 35 und 40 hat, hat nur noch eine 60%ige Chance. Und wer einen BMI über 40 hat, hat nur noch eine 50%ige Chance, das Alter von 70 zu erreichen.“
Es sind in der Tat die vielen Komorbiditäten, die die Lebenserwartung drastisch reduzieren, und viele davon hängen mit dem Übergewicht zusammen. Hypertonie, Hyperlipidämie, Hyperglykämie und chronische Inflation werden durch Übergewicht verstärkt und verstärken das Übergewicht. Aus einer epidemiologischen Studie mit über 190 000 Teilnehmern über 35 Jahre weiß man, dass das Lebenszeitrisiko für ein kardiovaskuläres Ereignis stark vom BMI abhängt (Abb. 1) [1].
Eine 30%ige Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen ist bei Adipösen 15 Jahre früher erreicht als bei Normalgewichtigen. Dieser Effekt heißt Early Vascular Aging, weil durch das Konglomerat der verschiedenen Risikofaktoren die Gefäße vorzeitig altern. Das führt man darauf zurück, dass vom viszeralen Fett ausgehend viele Mechanismen über die Zeit zu Pathologien führen, wie NASH, Diabetes oder KHK.
Ein wesentlicher Mechanismus dabei ist die Inflammation, und sie führt zu den sogenannten 3M-Problemem:
Umdenken dringend erforderlich
Jacob plädiert für ein Umdenken in der Behandlung der Adipositas. „Adipositas ist als Erkrankung zu sehen. So hat es auch die WHO definiert. Die Realität ist aber leider, dass unsere Patienten mit Übergewicht meistens stigmatisiert werden. Ich sehe in der Ernährungsberatung mit adipösen Patienten sehr viele, die von Kollegen berichten, die einfach sagen: Wenn Sie Gelenkbeschwerden haben, sollten Sie 20 Kilo abnehmen. Als ob es der Patient nicht selbst wüsste.“
Diesen Patienten muss Hilfe angeboten werden. Schon bei einer Gewichtsreduktion von 5 bis 10 kg werden fast alle Risikofaktoren deutlich gebessert. Wir wissen aus vielen Studien, dass 5–10 % Gewichtsreduktion bereits zu drastischen Verbesserungen bei vielen Risiken führt. Und wenn es gelingt, noch etwas mehr an Gewicht zu reduzieren, werden die Erfolge noch besser (Abb. 2) [2-4].
Jacob betonte, dass die Gesamtzeit, die Patienten mit den Risikofaktoren gelebt haben, eine große Rolle in der Ausprägung der Komplikationen spielt. Frühzeitig Adipositas erkennen, aufklären, handeln und kontinuierlich unterstützen – das ist seine Forderung an alle Arztgruppen. Dies müsse auch bei jüngeren und sonst gesunden Patienten thematisiert werden.
Er schloss seinen Vortrag mit den Worten: „Es ist Zeit, dass wir aufstehen. Es ist Zeit, dass wir handeln. Und ich hoffe, ich habe Sie ein bisschen überzeugen können, dass gerade die Adipositas im Zentrum steht und dass wir unsere Patienten hier unterstützen müssen.“
1 Khan SS et al., JAMA Cardiol 2018; 3: 280–7
2 Lean ME et al., Lancet 2018; 391: 541–51
3 Garvey WT et al., Endocr Pract 2016; 22: 1–203
4 Sundström J et al., Circulation 2017; 135: 1577–85
Satellitensymposium „Adipositastherapie neu gedacht“ (Veranstalter: Novo Nordisk Pharma GmbH)