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Kongress-Ticker

Virtuell – September 2021

DGfN-Kongress-Ticker

Dr. Katharina Arnheim

30.9.2021

Erschreckende Diskrepanz zwischen Laborwerten und CKD-Diagnose+++10-Punkte-Plan für mehr Heimdialysen+++Die Niere – ein Zielorgan von SARS-CoV-2+++Therapeutische Defizite bei CKD-Patientinnen

Erschreckende Diskrepanz zwischen Laborwerten und CKD-Diagnose

In Deutschland leiden rund 9 Mio. Menschen an einer chronischen Nierenerkrankung (CKD; chronic kidney disease). Allerdings werden CKD unterdiagnostiziert und -therapiert: Drei von vier Betroffenen wissen nichts von ihrem Leiden; nur zwei Drittel der bekannten CKD-Patienten werden adäquat behandelt. Das ist tragisch, da die Progression der Erkrankung  durch eine medikamentöse Therapie verlangsamt, die Dialysepflicht verzögert werden kann. Die Defizite in der Versorgung von CKD-Patienten werden durch ein von der AOK Nordost gefördertes Projekt erneut bestätigt: Gemäß retrospektiver Auswertung der Krankenversicherungsdaten von >6.000 CKD-Patienten zwischen 2010 und 2016 entsprach die Diagnose des CKD-Schweregrads in frühen Krankheitsstadien nur in 3,6% den quartalsweise  dokumentierten Laborwerten. Erst in späteren Stadien war die Übereinstimmung zwischen Laborparametern und Diagnose höher. Allerdings wurden selbst im CKD-Stadium 4, d.h. bei einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate von 15‒30ml/min/1,73 m², nur zwei Drittel der Erkrankten korrekt diagnostiziert. Prof. Dr. med. Steffen Mitzner (Rostock) forderte daher mehr Aufklärung über Nierenerkrankungen und eine intensivere Zusammenarbeit von Hausärzten und Nephrologen.  

10-Punkte-Plan für mehr Heimdialysen

Nur 6,5% der dialysepflichtigen CKD-Patienten in Deutschland nutzen die Möglichkeit der Heimdialyse, die mehrheitlich als Peritonealdialyse (PD; 5,4%), in 1,1% der Fälle als Heimhämodialyse (HHD) durchgeführt wird. „Dabei sind die ambulanten Verfahren der Zentrums- Dialyse medizinisch gleichwertig“, betonte Prof. Dr. med. Hermann Pavenstädt (Münster). Laut MAU-PD-Studie ist die mangelnde Information der Betroffenen über die Möglichkeit der ambulanten PD wichtigster Grund für die geringe Verbreitung dieses Verfahrens hierzulande. Hinzukommen strukturelle Defizite, Mängel in der nephrologischen Aus- und Weiterbildung sowie wirtschaftliche Barrieren.
Die DGfN hat jetzt einen 10-Punkte-Plan erarbeitet, um die Heimdialyse in Deutschland zu stärken. So sollen bis Ende 2021 in einfacher Sprache formulierte Aufklärungsmaterialien über alle Formen der Nierenersatztherapie (NET) entwickelt werden und Patientenorganisationen vermehrt in die Kommunikation zur NET eingebunden werden; zudem das Heimdialyseverfahren in der fachärztlichen Weiterbildung stärker im Fokus stehen. Weitere Punkte sind die Ausweitung der Telemedizin, die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung für jegliche Form der Dialyse, die Einführung eines Nationalen Nierenplans, eines Disease-Management-Programms für CKD und eines Dialyseregisters sowie die Gründung eines Deutschen Zentrums für Nierenkrankheiten.

Die Niere – ein Zielorgan von SARS-CoV-2

Ein von der DGfN initiiertes Register hat aufgezeigt, dass SARS-CoV-2 auch die Niere angreift. Das äußert sich in einer Entgleisung der Nierenwerte zu Beginn der Virusinfektion und der Entwicklung eines akuten Nierenversagens bei vielen schwer an COVID-19 erkrankten Patienten. Die Registerdaten hatten zur Folge, dass Patienten mit Nierenerkrankungen priorisiert geimpft wurden, informierte Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke (Mainz).  
Jetzt zeigt eine aktuelle Studie mit >1,5 Mio. US-Veteranen, dass Patienten nach überstandener COVID-19-Infektion im weiteren Verlauf ein um 60% erhöhtes Risiko für eine GFR(glomeruläre Filtrationsrate)-Abnahme um >50%, Dialysepflicht und Tod haben. Das galt selbst für die Fälle, in denen COVID-19 ohne Nierenbeteiligung ablief. Das Risiko für ein akutes Nierenversagen war gegenüber Veteranen ohne COVID-19 etwa verdoppelt, das für eine Dialysepflicht fast dreimal so hoch. Die Gefahr für eine Nierenerkrankung im Nachgang war umso höher, je schwerer der COVID-19-Verlauf. Die Symptome einer Nierenerkrankung sind mit Fatigue, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und verminderter Belastbarkeit unspezifisch und ähneln denen des Post-COVID-19-Syndroms. „Nephrologen sollten daher Patienten mit durchgemachter COVID-19-Infektion im Fokus haben und die Nierenfunktion überwachen“, betonte Weinmann-Menke. Bei eingeschränkter Nierenfunktion oder auffälligen Laborwerten forderte sie eine nephrologische Mitbetreuung und eine nephroprotektive Therapie.

Therapeutische Defizite bei CKD-Patientinnen

Frauen sind in jüngerem Alter in puncto CKD (chronic kidney disease) im Vorteil, da Estrogene antifibrotisch und antisklerotisch wirken, sodass sie physiologischerweise einen Nieren- und Gefäßschutz haben, erläuterte Prof. Dr. med. Sylvia Stracke (Greifswald). Auch verlaufen Nierenerkrankungen hormonbedingt beim weiblichen Geschlecht langsamer. Bei dialysepflichtigen Patientinnen allerdings entfällt dieser Vorteil ‒ die Mortalität weiblicher und männlicher Betroffener ist vergleichbar. Zudem fällt insbesondere bei jungen Dialysepatientinnen <45 Jahren eine Übersterblichkeit auf. Als Grund hierfür nannte Stracke die schlechtere Blutdruck- und Lipidkontrolle von Patientinnen mit diabetischer Nephropathie im Vergleich zu männlichen Mitpatienten. Auch ist das Ansprechen auf die nephroprotektiven ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptorblocker bei Frauen schlechter als bei Männern. Des Weiteren kommen junge Dialysepatientinnen verfrüht in die Menopause, sodass der natürliche Estrogenschutz entfällt. Ebenfalls ursächlich sind Defizite in der Dialysetherapie: Diese wird bei Frauen erst in einem späteren Stadium initiiert als bei Männern, die Wochendialysedauer ist kürzer. Auch werden Frauen häufiger über Katheter dialysiert, bei denen die Infektionsgefahr höher ist als bei Einsatz von Dialysefisteln. Und schließlich werden Frauen seltener nierentransplantiert als Männer. Die weiterhin bestehenden Defizite im Wissen um geschlechtsspezifische Unterschiede bei Nierenpatienten und -patientinnen sollten im Zuge von Forschungsprojekten rasch abgebaut werden.

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