In einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Phase-III-Studie hat sich eine 6-monatige prophylaktische Behandlung mit dem gegen aktivierten Faktor XII (FXIIa) gerichteten Antikörper Garadacimab als klinisch relevant wirksam und sicher erwiesen. Über 60 % der Behandelten blieben durchweg anfallsfrei.
Die monatliche subkutane Gabe des voll humanisierten, monoklonalen Anti-FXIIa-Antikörpers Garadacimab schützte Patientinnen und Patienten mit hereditärem Angioödem Typ I oder II in einer 6-monatigen Phase-III-Studie frühzeitig und anhaltend vor Ödemattacken. Nach 3:2-Randomisierung erhielten 39 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab 12 Jahren nach Aufsättigung mit 400 mg an Tag 1 monatlich 200 mg Garadacimab, 25 bekamen Placebo. Eingeschlossen wurden Personen in Nordamerika, Deutschland, Ungarn, den Niederlanden, Israel und Japan.
Wirkung macht sich früh bemerkbar
59 % waren Frauen, 86 % weiß. Die durchschnittliche Zahl der von den Untersuchenden bestätigten monatlichen Ödemattacken im Studienverlauf war mit 0,27 gegenüber 2,01 unter der Antikörper-Behandlung signifikant niedriger als unter Placebo, im Median waren es keine bzw. 1,35 Anfälle. Verglichen mit der Attackenzahl in den 3 Monaten vor Studienbeginn verringerte diese sich binnen 6 Monaten unter Garadacimab um 91 % und unter Placebo um 20 %. Moderate und schwere Angioödemattacken waren bei den mit dem Antikörper Behandelten um 90 % seltener als zuvor.
In den ersten 3 Monaten blieben drei Viertel der Patientinnen und Patienten in der Garadacimab-Gruppe anfallsfrei, über alle 6 Monate hinweg waren es 62 %. In der Placebogruppe hingegen blieb niemand durchweg anfallsfrei. Entsprechend benötigten Betroffene unter Garadacimab auch seltener zusätzliche Medikamente. Sie hatten monatlich im Mittel nur 0,23 Attacken, bei denen das erforderlich war. Personen, die Placebo erhielten, benötigten dagegen bei monatlich 1,86 Attacken Bedarfsmedikamente. In der Garadacimab-Gruppe bewerteten 82 % und 66 % sowie 33 % und 13 % in der Placebogruppe die Behandlung mindestens als „gut“ beziehungsweise als „exzellent“.
Die Häufigkeit von Nebenwirkungen war mit der von Placebo vergleichbar. Die häufigsten behandlungsassoziierten Nebenwirkungen unter Garadacimab waren Infektionen der oberen Atemwege, Nasopharyngitis und Kopfschmerzen. Thromboembolien, Blutungsereignisse oder Anaphylaxien kamen nicht vor.
Die rasche und weitgehend anhaltende Wirksamkeit im Studienzeitraum hoben die Autoren und Autorinnen besonders hervor, zumal gängige Prophylaktika dies oft nicht leisten und oft in höherer Frequenz appliziert werden müssen.
Als erster Vertreter seiner Medikamentenklasse greift Garadacimab früh in die Pathogenese ein. Ungehemmt initiiert FXIIa über die Aktivierung des Kallikrein-Kinin-Systems die Bradykinin-Freisetzung, die bei Gesunden durch C2-Esterase-Inhibitor reguliert wird. Dieser fehlt genetisch bedingt beim hereditären Angioödem (Typ I) oder ist in seiner Funktion gestört (Typ II).
Craig TJ et al., Lancet 2023; 401: 1079–90