Ein hereditäres Angioödem kann mit einem erheblichen Leidensdruck einhergehen und sogar lebensbedrohlich werden. Umso wichtiger sind eine frühzeitige Diagnosestellung und geeignete Therapiemaßnahmen. Aktuelle Entwicklungen können das Spektrum der medikamentösen Akuttherapie und Prophylaxe erweitern.
Das hereditäre Angioödem (HAE) ist durch Schwellungsattacken gekennzeichnet, die unvorhersehbar an der Haut oder den Schleimhäuten des Magen-Darm-Trakts, der Atem- und Harnwege auftreten können. Angioödeme der Haut treten vor allem im Gesicht, an den Extremitäten und im Genitalbereich auf. Anders als bei der chronischen spontanen Urtikaria führt ein HAE bei fast allen Betroffenen zu Angioödemen im Gastrointestinaltrakt, berichtete Prof. Dr. med. Marcus Maurer (Berlin). Die krampfartigen, extrem schmerzhaften Bauchattacken können über mehrere Tage anhalten. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö oder Aszites können hinzukommen. Die abdominellen Attacken werden häufig fehldiagnostiziert, kritisierte Maurer. Oft dauere es Jahre, bis die Diagnose eines HAE gestellt wird.
Etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit HAE erleidet Angioödeme an den oberen Atemwegen, die bei der chronischen spontanen Urtikaria ebenfalls fehlen, so Maurer weiter. Eine Verlegung der Atemwege kann lebensbedrohlich werden, wenn sie nicht behandelt wird. Larynxödeme sind die häufigste Todesursache beim HAE. Umso wichtiger seien das rechtzeitige Erkennen und die geeignete Behandlung des HAE, betonte Maurer.
Neue Therapieansätze auf dem Prüfstand
Beim HAE handelt es sich in der Regel um ein Bradykinin-vermitteltes Angioödem. Die häufigste Form ist das HAE Typ 1. Infolge eines angeborenen Mangels des Enzyms C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH) wird Plasmakallikrein nicht ausreichend gehemmt und vermehrt Bradykinin produziert, das Angioödeme verursacht. Beim HAE Typ 2 sind die Serumspiegel des C1-INH dagegen normal oder sogar erhöht, dessen Aktivität jedoch vermindert. Bei weiteren HAE-Typen liegt weder ein Mangel noch eine Funktionsbeeinträchtigung des C1-INH vor.
Für die Behandlung des HAE sind mehrere Medikamente zugelassen. Ein Medikament zur Prophylaxe von wiederkehrenden Attacken ist der Kallikrein-Inhibitor Lanadelumab. Das Medikament habe sich auch bei Kindern als sicher und wirksam erwiesen und sei neuerdings bereits ab 2 Jahren zugelassen, berichtete Maurer [1]. Eine neue Strategie zur Prophylaxe des HAE wird mit Garadacimab verfolgt, das Faktor XIIa inhibiert und damit früh die Kallikrein-Kaskade beim HAE hemmt. Garadacimab konnte in einer Phase-III-Studie mit Patientinnen und Patienten ab 12 Jahren überzeugen [2]. Die Zulassung wird laut Maurer in naher Zukunft erwartet (Stand: März 2024). Eine spannende neue Entwicklung seien auch orale Notfallmedikamente für die Behandlung akuter HAE-Attacken, berichtete der Experte. Dazu zählt orales Sebetralstat, das wie Lanadelumab am Kallikrein ansetzt. Eine aktuelle Phase-II-Studie bei Erwachsenen erbrachte bereits positive Resultate [3].
Online-Vortrag „Urtikaria/Angioödem“, 14. Allergo Update, März 2024