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Dermatologie

Genetisch bedingte Verhornungsstörungen

Bewährte Lokaltherapien und neue systemische Ansätze

Dr. med. Kira Süßmuth, Prof. em. Heiko Traupe

15.8.2023

Ichthyosen und Palmoplantarkeratosen gehören zu den genetisch bedingten Verhornungsstörungen. Bei den Ichthyosen wird intensiv lokal therapiert, einige Patienten benötigen eine Systemtherapie mit Retinoiden. Neben der Behandlung der Haut ist die Therapie von assoziierten Symptomen und Komplikationen relevant.

Bei den genetisch bedingten Verhornungsstö­rungen handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Hauterkrankungen, die vermehrt Schuppen­bildung und Verhornungen, variabel auch Entzündungen und Blasenbildung am gesamten Integument (Ichthyosen) [1] oder lokalisierte Hyperkeratosen an Händen und/oder Füßen (Palmoplantarkeratosen) aufweisen. Palmoplantarkeratosen können auch im Zuge einer Ichthyose vorkommen. Für die Ichthy­osen sind Mutationen in mehr als 50 Genen bekannt. Die Genprodukte sind am Abschuppungsprozess, an der Synthese des „cornified envelope“ sowie der ­Keratin- oder Lipidsynthese für das Stratum corneum beteiligt [2]. Einige Ichthyosen zeigen neben der Hautbeteiligung auch Veränderungen an weiteren Organen. Die genetische Diagnostik ist daher von besonderer Bedeutung, um syndromale Ichthyosen nicht zu übersehen. Da es für die Ichthyosen Leitlinien zur Therapie gibt, hat der vorliegende Artikel diese Erkrankungsgruppe im Fokus [3-5].

Die Säulen der Therapie genetisch bedingter Verhornungsstörungen

Drei Säulen der konservativen Therapie

Es gibt drei Hauptkomponenten der Lokaltherapie, die Patienten mit einer Ichthyose lebenslang durchführen müssen. Dazu zählt das regelmäßige Eincremen mit rückfettenden und keratolytischen Externa, das Baden und zusätzlich die mechanische Schuppenentfernung.

Topische Therapie mit Emollienzien und Keratolytika

Emollienzien können bei allen Ichthyose-Subtypen für die mehrmals tägliche Anwendung empfohlen werden. Sie bewirken eine Hydratisierung des Stratum corneum. Unter den Keratolytika ist Urea am gebräuch­­lichsten – in den meisten Fällen in bis zu 10%iger Konzentration für die Ganzkörperanwendung und bis zu 40%ig im Bereich lokalisierter Verhornungen. Urea (insbesondere ≥ 10 %) sollte vor dem 2. Lebens­jahr allerdings nur mit Vorsicht angewendet werden [5].

Auch andere Keratolytika wie Milchsäure, ggf. in ­Verbindung mit Urea, finden verbreitet Anwendung. Aufgrund der gestörten Barrierefunktion kann es bei der großflächigen Anwendung von Keratolytika zu einer vermehrten Resorption mit systemischen Nebenwirkungen kommen. Insbesondere salicylhaltige Externa sind im Kindesalter daher kontraindiziert. Die großflächige Anwendung sollte in der Regel auch bei Erwachsenen vermieden werden, eine streng ­lokalisierte Anwendung ist dagegen bei Palmoplantarkeratosen zulässig.

Balneotherapie

Viele Patienten baden täglich. Häufig ist eine lange Badedauer (45–60 Minuten) pro Badegang notwendig, um die Schuppen suffizient aufweichen und mechanisch entfernen zu können. Badezusätze wie Natriumhydrogencarbonat (6 g/l Badewasser, bei Kindern ab dem 2. Lebensjahr 3 g/l) mit keratolytischer Wirksamkeit oder Salz (1–8 %, bei Kindern bis zu 4 %) können hilfreich sein – wobei Salz brennende Missempfindungen auslösen kann [5]. Das Eincremen nach dem Baden ist für die Wirksamkeit der Balneotherapie entscheidend.

Mechanische Schuppenentfernung

Zur mechanischen Schuppenentfernung können je nach Befund Bimssteine, Peelinghandschuhe und Waschlappen verwendet werden. Die Anwendung muss geübt und mit Vorsicht durchgeführt werden.

Systemtherapien

Als einzige Systemtherapie ist aktuell Acitretin zugelassen [5]. Das Nebenwirkungsprofil und die ungünstige Beeinflussung der Krankheitsaktivität ­einzelner Ichthyosen (z. B. mögliche Verschlech­terung der Dermatitis beim Netherton-Syndrom und vermehrte Blasenbildung bei epidermolytischen ­Ichthyosen mit Keratin 1[KRT1]-Mutation) begrenzen die Anwendung dieser Systemtherapie. Empfohlen sind Dosierungen von maximal 1 mg/kg Körper­gewicht (KG) bei der ­lamellären Ichthyose. Eine niedrigere Dosis ist als Dauertherapie anzustreben.

Eincremen, Baden und Schuppen­entfernung sind lebenslang notwendige Maßnahmen.

Bei der X-chromosomal-rezessiven Ichthyose, die sich im Sommer bessert, kann eine „saisonale“ ­Therapie in den Wintermonaten hilfreich sein. Bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte von der Acitretin-Gabe abgesehen werden, da Acitretin auch lange nach dem Absetzen hochgradig teratogen ist.

Neue Horizonte für die Therapie der Ichthyosen

Die nur begrenzt vorhandenen und wirksamen ­Therapieoptionen erfordern neue therapeutische Ansätze. Es gibt Fallberichte und eine klinische ­Studie zur Anwendung von Biologika bei Ichthyosen. Diese Daten zeigen ein sehr heterogenes Ansprechen mit meist milden Effekten. Hiervon lässt sich bislang keine Erkenntnis ableiten, welche­ ­Patienten von Biologika sicher profitieren könnten. Allerdings könnten einzelne Symptome, wie der häufig sehr starke Juckreiz, auf Biologika wie Dupilumab ansprechen.

Zudem liegen präklinische Daten zu Enzymersatztherapien und Gentherapien vor. Eine Phase-II-Studie, in der eine topische Gentherapie zur Behandlung der Transglutaminase-1-defizienten lamellären ­Ichthyose (NCT05735158) untersucht werden soll, soll bald erste Patienten einschließen.

Weitere Substanzen für die Behandlung der verschiedenen Subtypen der Ichthyose werden derzeit in klinischen Studien untersucht, unter anderem sind dies

• Spesolimab (NCT05856526),
• ein topisch angewendeter Proteaseinhibitor (NCT05211830) sowie
• ein topisches Retinoid (NCT05295732).

Allgemeine Empfehlungen

Da es sich bei den Ichthyosen um sehr komplexe Erkrankungsbilder handeln kann, empfehlen wir die Rücksprache mit einem Referenzzentrum oder Experten für genetisch bedingte Hautkrankheiten. Neben den oben genannten Therapien stellen die Diagnostik sowie auch die Mitbehandlung weiterer Symptome und Komplikationen oftmals eine Herausforderung dar, die zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen können.

Hierzu zählen
• Schmerzen (insbesondere bei Verhornungen an den Fußsohlen),
• Pruritus,
• verminderte bis fehlende Schwitzfähigkeit mit Neigung zur Hyperthermie,
• Verlegung des äußeren Gehörgangs durch Schuppen,
• Neigung zu Hautinfektionen,
• Vitamin-D-Mangel und
• Gedeihstörungen bei bestimmten Subtypen der Ichthyose.

Der Kontakt zu Selbsthilfegruppen kann sowohl für Patienten als auch für Ärzte hilfreich sein. Die europäischen [3,4] und die deutschen Leitlinien [5] ­bieten einen guten Überblick über den Umgang mit Ichthyosen und die therapeutischen Optionen. Ein Update beider Leitlinien ist aktuell in Arbeit bzw. in Planung.

Um Patienten mit seltenen Erkrankungen die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen, sollte auch die Teilnahme an klinischen Studien erwogen werden.

Fazit

Ichthyosen sind bislang zwar nicht heilbar, ­jedoch gut behandelbar, und die Symptome ­lassen sich lindern. Die molekulargenetische Diagnostik ermöglicht in der Regel eine gute Aufklärung über die ursächlichen Gendefekte. In Zukunft könnten mit individuellen und ­zielgerichteten Therapien zunehmend bessere Optionen für die Behandlung der Betroffenen zur Verfügung stehen.

Die Autorin

Dr. med. Kira Süßmuth
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Helios Klinikum Berlin-Buch

Kira.Suessmuth@helios-gesundheit.de

Der Autor

Prof. em. Heiko Traupe
Gastwissenschaftler an der Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Münster

1 Oji V et al., J Am Acad Dermatol 2010; 63: 607–41
2 Joosten MDW et al., Orphanet J Rare Dis 2022; 17: 269
3 Mazereeuw-Hautier J et al., Br J Dermatol 2019; 180: 272–81
4 Mazereeuw-Hautier J et al., Br J Dermatol 2019; 180: 484–95
5 Oji V et al., J Dtsch Dermatol Ges 2017; 15: 1053–65

Bildnachweis: privat

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