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Fokus Naturmedizin

Grenzen und Vorteile

Naturheilkundliche Behandlung der rheumatoiden Arthritis

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt

27.9.2024

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist nicht heilbar, aber gut behandelbar. Ergänzend zu den Basistherapeutika zeigt die naturheilkundliche Therapie oft gute Erfolge. So können natürliche Verfahren wie die Hydro-, Bewegungs- oder Phytotherapie sowie Akupunktur oder eine mikrobiologische Therapie die Lebensqualität von Menschen mit RA steigern und Rheumasymptome lindern.

Etwa 700 000 Erwachsene in Deutschland sind von der rheumatoiden Arthristis (RA) betroffen [1]. Für den Krankheitsverlauf ist die frühzeitige Behandlung der RA von zentraler Bedeutung [2]. Doch nicht alle Patientinnen und Patienten sprechen adäquat auf die leitliniengerechte Therapie an [3]. Zudem birgt eine Langzeittherapie mit DMARD, Glukokortikoiden oder Analgetika das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen, sodass Menschen mit RA an zusätzlichen Behandlungsoptionen interessiert sind. Schätzungsweise 30–60 % der Patientinnen und Patienten mit RA nutzen komplementäre Behandlungsverfahren [4].

Hydrotherapie

Badekuren gehören zu den ältesten Therapieformen der RA. Die regenerierenden und heilenden Effekte basieren auf mechanischen und thermischen Effekten. Die ausgedehnte Anwendung von Hitze und der vom Wasser ausgelöste Druck überträgt Impulse über die Haut in tiefere Gewebeschichten. Dies führt zur Stimulation des Immunsystems, Stressreduktion, Anregung des Kreislaufs und der Verdauung [4]. Vor allem die Balneotherapie mit schwefel-, radon- oder kohlensäurehaltigem Heilwasser hat in der Rheuma­behandlung eine lange Tradition. Die Balneotherapie kann zur statistisch signifikanten Verbesserung klinischer Parameter wie Morgensteifheit oder Schmerzen bei RA führen. Die Effekte können langwirkend sein: Es wurde eine Verbesserung der funktionellen Kapazität bis zu 6 Monaten nach Anwendung des Heilwassers beobachtet [5]. Besonders vorteilhaft haben sich Radonbäder erwiesen. Eine Pilotstudie mit 50 RA-Patientinnen und -Patienten über 21 Tage zeigte eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität hinsichtlich körperlicher, emotionaler und mentaler Parameter sowie Schmerzlinderung [6].

Generell ist die Balneotherapie als Kur im akut-entzündlichen Stadium kontraindiziert und höchstens als Krankenhausbehandlung möglich. Im inaktiven chronischen RA-Stadium kann die Hydrotherapie zur Durchblutungsförderung der Gelenke und Muskulatur angewendet werden. Warme (35–38 °C) medizinische Bäder mit Moorextrakten, Schwefel, Heublumen oder Fichtennadeln und anschließender Schwitzpackung können dann Linderung verschaffen [7].

Wärme- und Kältetherapie

Je nach Verträglichkeit kann im inaktiven Stadium zusätzlich eine lokale Wärmetherapie durchgeführt werden, um die Durchblutung des Gewebes anzuregen. Folgende Anwendungen sind möglich:

  • warme Pelose-, Fango-, Moor-, Paraffinpackungen
  • warme Heublumensäckchen
  • Pelosekneten
  • Dampfstrahlbehandlungen der Gelenke
  • feuchtwarme Gelenkwickel
  • heiße Hand- und Fußbäder (40–42 °C) mit Be­we­gungsübungen [7].

Ebenfalls durchblutungsfördernd wirken warme Anwendungen mit Heilerde. Kalte Anwendungen mit Heilerde verringern Schmerzen und können daher in akut-entzündlichen RA-Phasen angewendet werden. Dabei kann die Kühlwirkung intensiviert werden, wenn der Heilerde-Brei vorher in den Kühlschrank gestellt wird [8]. Generell zeigen Kälteapplikationen empirisch eine gute lokale symptomatische Wirkung für akut entzündete Gelenke [2]. Einigen Personen mit RA helfen dann kryotherapeutische Maßnahmen wie Eiskompressen, Eiswasser-Teilbäder, Eis-Lollys, lokale Kaltlufttherapien oder eine Ganzkörperkältetherapie. Die Wärme- oder Kältetherapie ist der ­Erkrankungsaktivität und den Befindlichkeiten der Patientinnen und Patienten anzupassen [7].

Bewegungstherapie

Menschen mit RA sollten regelmäßig dynamische Bewegungsübungen und ein individuell abgestimmtes Kraft- und Ausdauertraining durchführen. Regelmäßige Bewegungsangebote in Fitnessstudios oder Kurse in öffentlichen Bewegungsbädern können Schmerzen lindern und die Gelenkfunktion verbessern. Eine gute Möglichkeit, die körperliche Aktivität von Menschen mit Arthritis zu erhöhen, kann Yoga sein. Dazu gibt es gute Evidenz für positive Effekte in Bezug auf Lebensqualität sowie physische und psychische Aspekte [2]. Zudem können Yoga und Tai-Chi zum Stressabbau beitragen [4]. Auch konnte gezeigt werden, dass Mind-Body-Verfahren wie Yoga und Meditation Schmerzen verringern, die Stimmung verbessern und die Energie der Patientinnen und Patienten steigern können [9]. Darüber hinaus können eine personalisierte Physiotherapie bzw. Bewegungsinterventionen wie Stretching, Kraft- und/oder Ausdauertraining, Training im Wasser oder Tai-Chi zur Linderung von Fatigue beitragen [2].

Akupunktur

Auch Akupunktur kann allein oder in Kombination mit anderen ergänzenden Therapien vorteilhafte Effekte auf das klinische Bild der RA haben, ohne Auftreten von Nebenwirkungen. Akupunktur scheint über antiinflammatorische, antioxidative und immunmodulierende Effekte die Funktionsfähigkeit der Gelenke und die Lebensqualität zu steigern [10]. Elektroakupunktur zusammen mit DMARD übt die stärksten positiven Effekte auf den Disease Activity Score (DAS 28) aus. Hinsichtlich der Reduktion von Schmerzen und inflammatorischer serologischer Parameter erwies sich die Kombination von Feuernadeln und DMARD am wirkungsvollsten. Der Rheumafaktor konnte durch Moxibustion und DMARD am stärksten gesenkt werden [11].

Mikrobiologische Therapie

Auch eine Darmsanierung hat in der begleitenden RA-Therapie einen hohen Stellenwert, da so das Immunsystem von übermäßigen Toxinen entlastet wird [7]. Zusätzlich kann die Gesundheit des Darmmikrobioms durch Gabe von Probiotika unterstützt werden [4]. Denn eine Darmdysbiose kann ein auslösender Faktor für RA sein und Menschen mit RA haben im Vergleich zu Gesunden eine signifikant veränderte Zusammensetzung des Darm­mikrobioms. Es gibt einige Studien, die die Modulation des Mikrobioms mithilfe von Probiotika und deren Effekte auf die Prävention von RA und Symptomkontrolle untersucht haben. Klinische ­Studien zu Lactobacillus casei 01, Lactobacillus rhamnosus GG sowie zur Kombination aus Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus casei und ­Bifidobacterium bifidum zeigen Vorteile auf die ­Erkrankungsaktivität und Entzündungsmarker. Diese antirheumatischen Effekte beruhen auf der entzündungshemmenden und immunmodulierenden Wirkung von Probiotika [12].

Phytotherapie

Auch zahlreiche Heilpflanzen üben antiinflammatorische Effekte aus und können begleitend bei RA unterstützen, indem sie Zytokinspiegel (IL-1, IL-6, TNF-α) senken, Signalwege von NF-κB und COX-2 hemmen und die Expression von proinflammatorischen Mediatoren wie iNOS inhibieren. Dabei ist die Ausprägung von Nebenwirkungen bei Phytotherapeutika im Vergleich zu klassischen Antirheumatika deutlich geringer [13].

In klinischen Studien konnten die vorteilhaften Effekte von Arnika, Weihrauch, Kurkuma, Acker-Schachtelhalm, Teufelskralle, Weidenrinde, Sesam, Beinwell, Ingwer, Ginseng und Ashwagandha bei entzündlichen Gelenkerkrankungen gezeigt werden (Abb.). Dabei können Extrakte, Tees oder ­Tinkturen aus den Heilpflanzen eingesetzt werden. Arnika, Acker-Schachtelhalm und Beinwell sind ausschließlich für die äußerliche Anwendung ­vorgesehen [14].

Extrakte aus Brennnesselblättern werden ebenfalls traditionell als antiinflammatorische Mittel bei RA eingesetzt [15]. Sie enthalten zahlreiche wirksame Inhaltsstoffe. Insbesondere Brennnessel-Cumarine zeigen antirheumatische Effekte und fördern die Immuntoleranz [16].

Die Brennnessel hat sich bei RA in Kombination mit Weidenrinde und Afrikanischer Teufelskralle bewährt. Die Trias wirkt ausleitend, analgetisch, antiinflammatorisch, abschwellend und schützt vor voranschreitendem Knorpelabbau [14].

Für Wilfords Dreiflügelfrucht konnten ebenfalls ­vorteilhafte Effekte für Menschen mit RA gezeigt werden [4]. Weiterhin gibt es eine mögliche ­Evidenz für Gamma-Linolensäure-haltige Öle (Nachtkerzen-, Johannisbeer-, Borretsch-Samenöl) zur Symptomlinderung [2].

Naturheilkundliche Behandlungen sollten ergänzend eingesetzt werden. Von der ausschließlichen Anwendung naturheilkundlicher Verfahren als ­Alternative zu medikamentösen Therapien ist ­dringend abzuraten, da diese die von der RA verursachten Gelenkschäden nicht aufhalten [2]. Rheuma­bäder, lokale Wärme- oder Kälteanwendungen, die Bewegungstherapie, Akupunktur oder eine mikrobiologische Therapie: Es gibt zahlreiche naturheilkundliche Verfahren, die therapiebegleitend ­patientenindividuell an die Vorlieben und Verträglichkeit angepasst werden können. Oft kann es durch die naturheilkundliche Begleitung gelingen, die ­Basistherapeutika zu reduzieren.

  1. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e. V. (DGRH). Rheuma in Zahlen. https://dgrh.de/Start/DGRh/Presse/Daten-und-Fakten/Rheuma-in-Zahlen.html#:~:text=Etwa%202%2C6%25%20der%20erwachsenen,und%20Spondyloarthritiden%20(entz%C3%BCndliche%20Wirbels%C3%A4ulenerkrankungen
  2. S3-Leitlinie „Management der frühen rheumatoiden Arthritis“. AWMF-Reg.-Nr. 060–002; Stand: 18.12.2019, https://register.awmf.org/assets/guidelines/060-002l_S3_Fruehe_Rheumatoide-Arthritis-Management_2019-12_01.pdf
  3. Kocyigit BF et al., Rheumatol Int 2023; 43: 617–25
  4. Fernández-Llanio Comella N et al., Reumatol Clin 2016; 12: 151–7
  5. Santos I et al., Int J Biometeorol 2016; 60: 1287–301
  6. Stanciak J et al., Iran J Public Health 2019; 48: 2311–2
  7. Schmiedel V, Augustin M, Leitfaden Naturheilkunde – Methoden, Konzepte und praktische Anwendung. 7. Auflage, Elsevier Verlag München 2017; ISBN 978-3-437-55143-7
  8. Uehleke B, Ernährung & Medizin 2019; 34: 199–207
  9. Baig S, DiRenzo DD, Curr Rheumatol Rep 2020; 22: 61
  10. Chou PC et al., Evid Based Complement Alternat Med 2018; 2018:8596918
  11. Wan R et al., Front Immunol 2022; 13: 829409
  12. Yang Y et al., Front Immunol 2024; 15: 1331486
  13. Sharma A et al., Mol Biol Rep 2023; 50: 4687–706
  14. Dragos D et al., Nutrients 2017; 9: 70
  15. Dhouibi R et al., Prog Biophys Mol Biol 2020; 150: 67–77
  16. Luo X Li LL et al., J Ethnopharmacol 2011; 138: 523–9

Bildnachweis: Rose8Mary (gettyimages)

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