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Fokus Naturmedizin

Immunabwehr

Das natürliche Gleichgewicht wiederfinden

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

21.8.2024

Für ein leistungsfähiges Immunsystem ist die Balance der T-Helferzellen entscheidend. Um diese zu stabilisieren, werden natürliche antiinflammatorische bzw. immunstimulierende Substanzen eingesetzt. Das können Medizinalpflanzen, Probiotika oder Mikronährstoffe sein. Unterstützt wird das durch ganzheitliche Maßnahmen.

Eine Immunstärkung mit naturheilkundlichen Mitteln kann dem Immunsystem helfen, bedrohliche Situationen zu meistern. Das können Infektionen sein, stumme Mutationen, Allergien und Unverträglichkeiten, Autoimmunreaktionen oder entzündliche Prozesse. Ein gestärktes Immunsystem bleibt im Gleichgewicht und kann überschießende Immunreaktionen dämpfen. Hierbei spielt die Funktion der T-Zellen eine wichtige Rolle. T-Helferzellen vom Typ 1 (TH1) und 2 (TH2) erkennen Antigene auf den präsentierenden Zellen und schütten Zytokine aus. Bei TH1-Zellen sind das IFN-γ, IL-2, IL-12 und TNF-β. TH2-Zellen sezernieren IL-4, IL-5 und IL-13. Die Balance zwischen den beiden Subtypen kennzeichnet die Fähigkeit zur Immunregulation. Dabei verfolgen TH1-Zellen den Weg der zellulären Immunität und aktivieren Makrophagen, eliminieren Tumorzellen und stimulieren Hypersensibilitätsreaktionen in der Haut. TH2-Zellen sind Effektoren der humoralen Immunität und aktivieren die B-Zellen. Diese bilden hauptsächlich IgE- und neutralisierende IgG4-Antikörper. Wird ein Muster übermäßig aktiviert, kann das zu Erkrankungen führen. Andererseits kann jeder Weg den anderen auch herunterregulieren.

Das Gleichgewicht von TH1 und TH2

Idealerweise besteht eine TH1-TH2-Balance mit einer Ratio zwischen 3,5 und 11,0. Eine Dominanz der TH2-Zellen findet sich bei einer Typ-I-Allergieneigung, bei Parasitosen und häufig sekundär bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Eine TH1-Dominanz ist typisch für persistierende Infektionen, einige Autoimmunerkrankungen, verzögert auftretende Hypersensitivitätsreaktionen der Haut sowie Tumorerkrankungen.

Um die TH1-TH2-Balance auszugleichen, gibt es zwei  therapeutische Optionen: Bei einer TH1-Dominanz werden der Trigger gesucht und antientzündliche Maßnahmen eingeleitet; bei einem Überwiegen der TH2-Zellen werden die TH1-Zellen stimuliert. Pflanzen, die sowohl TH1 als auch TH2 induzieren, sind Beifuß, Mistel und Taigawurzel. Ausschließlich die TH2-Abwehr regen Curcuma longa und Echinacea purpurea bzw. Echinacea pallida an. Auch Sitosterin, Progesteron, Melatonin, Probiotika sowie Selen und Zink beeinflussen die Balance der T-Zellen [1]. Eine Fehlregulation der Zink-Homöostase kann deutliche Folgen haben, wie eine prospektive Beobachtungsstudie aus Indien zeigte [2]. Ein Zinkungleichgewicht verursachte hier einen Shift in Richtung TH2-Response und verstärkt die Entzündungsantwort. Das spielt bei Asthma eine Rolle, denn die Erkrankung ist mit einer überschießenden TH2-Antwort auf eigentlich harmlose Antigene assoziiert. Durch die entzündliche Natur der Erkrankung ist der Zink-Bedarf des Immunsystems erhöht, wodurch sich leicht ein Zink-Defizit entwickelt. Ein adäquater Zink-Spiegel erlaubte dagegen eine bessere Asthmakontrolle bei den untersuchten Kindern [2].

Die immunologische Resistenz lässt sich auch durch traditionelle Medizin-Systeme steigern, beispielsweise durch das indische Ayurveda und die traditionelle chinesische Medizin, durch Kampo, die japanische Pflanzenheilkunde, und Unani-Tibb, das auf Hippokrates, Galen und Ibn Sina beruht, sowie die Kräuterheilkunde der westlichen Länder [3].

Pflanzliche Immunmodulatoren

Bisher wurden rund 150 Pflanzen mit einer immunmodulatorischen Aktivität identifiziert. Es gibt Pflanzenfamilien, die besonders häufig immunmodulierende Inhaltsstoffe bilden, so die Asteraceae mit dem charakteristischen Sonnenhut, Echinacea purpurea bzw. Echinacea pallida. Der Presssaft aus Echinacea purpurea enthält Polysaccharide, Flavonoide und Kaffeesäurederivate wie die Cichoriensäure. Diese steigern die unspezifische Abwehr, indem sie die Phagozytose von Granulozyten unterstützen und Makrophagen aktivieren. Die Bildung von Zytokinen, Interleukinen und Interferonen wird angeregt, zytotoxische T-Zellen und T-Helferzellen werden stimuliert. Die Differenzierung der B-Zellen zu antikörperbildenden Plasmazellen wird angeregt, die Hyaluronidase wird gehemmt und eine antivirale Aktivität aufgebaut. Gemäß Pflanzen-Monografie der European Medicines Agency sollten Echinacea-Präparate nicht länger als 2 Wochen eingenommen werden, bei einer Intervalltherapie höchstens 6 Wochen. Sie sollten nicht bei Autoimmunerkrankungen und Immunschwäche eingesetzt werden [4].

Rein experimentell wurde eine immunmodulierende Kombination untersucht. Sie bestand aus Amla, der indischen Stachelbeere (Phyllanthus emblica), schwarzem Pfeffer (Piper nigrum), der Schlafbeere (Withania somnifera) und dem ayurvedischen Guduchi (Tinospora cordifolia). Die optimale immunstimulierende Aktivität des wässrigen Extraktes wurde bei einem Anteil von 49,76 % Phyllanthus emblica, 1,35 % Piper nigrum, 5,41 % Withania somnifera und 43,43 % Tinospora cordifolia gefunden. Wurden immunsupprimierte Mäuse mit verschiedenen Dosen dieser Kombination behandelt, stärkte das zu 60 % die natürlichen Killerzellen, aber auch die B-Zellen, CD4- und CD8-Zellen. Das immunmodulatorische Potenzial könnte Metaboliten wie Phenolen, Flavonoiden, Tanninen, Alkaloiden und Glykosiden zugeschrieben werden, so die Biowissenschaftler aus Indien und den USA. Ob die Phytokombination auch schützend gegen immunsupprimierende Erkrankungen und mikrobielle Angriffe wirkt, sollte weiter untersucht werden [5].

Ganzheitliche Immunstärkung

Geht es um die Stärkung und Regulierung des Abwehrsystems, ist der achtsame Umgang mit dem Körper ebenso wichtig. Achtsamkeit ist eine Lebensphilosophie: Jeden Augenblick bewusst erfassen, absichtslos und annehmend, ohne etwas verändern oder bewerten zu wollen. Die Trainingselemente sind Meditation, Yoga und Achtsamkeitsübungen. Im Alltag sind außerdem 3 Schritte empfehlenswert:

  • Das Immunsystem nicht zusätzlich durch den ­Lebensstil schwächen,
  • es während der Erkältungssaison entlasten und
  • es nachhaltig stärken.

Das geschieht durch eine pflanzenbetonte Ernährung, durch Probiotika und Nahrungsergänzungsmittel. Immunschwächend wirken dagegen eine unausgewogene Ernährung, zuckerhaltige und alkoholische Getränke sowie das Rauchen, ob Tabak- oder E-Zigaretten. Denn Rauchen beeinträchtigt das gesamte Immunsystem und fördert Entzündungen, es verstärkt überschießende Immunreaktionen und dämpft schützende Prozesse. Bewegungsmangel wiederum führt zu Übergewicht und Insulinresistenz und wirkt entzündungsfördernd, weil das viszerale Fett verstärkt inflammatorische Mediatoren abgibt. Schließlich schwächen Schlafmangel und Stress die natürliche Abwehr. Kurzzeitiger (Prüfungs-)Stress unterdrückt zwar die zelluläre Abwehr, die humorale Abwehr bleibt aber funktionsfähig. Chronischer Stress beeinträchtigt jedoch beide Zweige des Immunsystems.

Ernährung und Nahrungsergänzung

Probiotika

Probiotika stimulieren das angeborene und das adap­tive Immunsystem, aktivieren die Phagozytose und wirken immunregulierend, indem sie dabei helfen, entzündungsfördernde Botenstoffe zu reduzieren. Probiotisch wirksame Lebensmittel sind fermentiert, wie Kimchi, Sauerkraut und Sauermilchprodukte. Sie fördern das Wachstum von bestimmten Bakterien im Darm. Ihre immunmodulatorische Wirkung wird auf den hohen Gehalt an Antioxidantien und Milchsäurebakterien zurückgeführt [6].

Vitamin- und Mineralstoffhaushalt

Im Prinzip werden genügend Mikronährstoffe mit der pflanzlichen Nahrung zugeführt. Bei wichtigen Biofaktoren kann jedoch eine Supplementation sinnvoll sein. Das gilt für Vitamin C und Vitamin D, Zink und Selen. Zink und Selen beeinflussen die TH1-TH2-Balance, Vitamin D fördert die Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen und steigert deren lysosomale Aktivität. Vitamin C schließlich ist ein potentes Antioxidans, wirkt auf die Synthese von IFN-γ und steigert die Phagozytoseaktivität und T-Zell-Funktion. Mikronährstoffsupplemente zur Immunkompetenz sind abhängig vom basalen Nährstoffstatus. Je ausgeprägter die Unterversorgung (vor allem bei älteren Personen), desto deutlicher der klinische Nutzen einer Supplementation. Bei bestehenden Autoimmunerkrankungen sollte die Einnahme einer hoch konzentrierten Nahrungsergänzung ärztlich abgeklärt werden.

In der Erkältungszeit entlasten natürliche, antibiotische Substanzen wie Oreganoöl, Olivenblattextrakte und ätherische Öle (aus Kamille, Zitrone, Thymian, Lavendel, Zitronen-Verbene). Empfohlen wird, täglich 1–2 dieser Substanzen anzuwenden.

Pflanzenbasierte Ernährung

Ernährungsphysiologisch relevant sind Brokkoli, Grünkohl, Äpfel, Birnen, Pflaumen und Kirschen. Speziell Paprika und Karotten enthalten ein Pektin-Polysaccharid (Rhamnogalacturonan-I), welches das angeborene Immunsystem stimuliert. Holunder­beeren-Extrakt reduziert die Produktion von Zytokinen und initiiert die T-Helferzellen des adaptiven Immunsystems [3]. Die Inhaltsstoffe aus konzen­triertem Sauerkirschsaft – Polyphenole, Anthocyane und Phytomelatonin – wirken bei Schlafstörungen und Altersinsomnie. Wie verschiedene Studien zeigten, verbessern sie die Schlafqualität und steigern die Schlafdauer und Schlafeffizienz. Der Hintergrund: Phytomelatonin übt einen schlafinduzierenden Effekt im zirkadianen Rhythmus aus. Die Aufnahme von Phytomelatonin ist direkt mit der antioxidativen Kapazität korreliert [7].

Traditionelle Medizin-Systeme wie Ayurveda, traditionelle chinesische Medizin, Kampo oder die westliche Pflanzenheilkunde können die Abwehr stärken. Medizinpflanzen sind die besten Reservoirs für bioaktive Komponenten, die oft auch immunmodulatorisch wirken oder das Gleichgewicht der T-Helferzellen 1 und 2 unterstützen. Behandelt man phytotherapeutisch, setzt man Agenzien mit vielfältigen Inhaltsstoffen ein, die sich in ihrer Wirkung ergänzen. Immunstimulierende Moleküle sind nicht zuletzt in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, wie Gemüse, Gewürzen, Kräutern und Früchten.

  1. Kidd P, Altern Med Rev 2003; 8: 322–46
  2. Rajkumar S et al., Eur J Pediatr 2023; 182: 141–47
  3. Zebeaman M et al., Biomed Res Int 2023; 2023: 7711297
  4. https://www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-­monograph/final-european-union-herbal-monograph-onechinacea-purpurea-l-moench-radix-revision-1_en.pdf; Stand: 22.05.2024
  5. Zahiruddin S et al., Front Pharmacol 2022; 3: 647244
  6. Shahbazi R et al., Nutrients 2021; 13: 1516
  7. Arnao MB et al., Molecules 2018; 23: 238

Bildnachweis: luckystep, LuckyStep48 (gettyimages)

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