Die Epidermolysis bullosa gilt als seltene, genetisch bedingte systemische Multiorganerkrankung. Beim Krankheitsmanagement stehen die Vermeidung von Blasenbildung und die Wundversorgung im Mittelpunkt. Neue Therapieansätze können die Wundheilung verbessern und damit Schmerzen lindern.
Die Haut von Kindern mit Epidermolysis bullosa (EB) ist so fragil wie die Flügel eines Schmetterlings: Bei „Schmetterlingskindern“ reichen geringste Berührungen und mechanische Belastungen, um Verletzungen und Blasenbildung an Epithelien auszulösen – an der Haut genauso wie an der Schleimhaut. Auch weitere Organe sind von der Multisystemerkrankung betroffen. Der Alltag der Kinder dreht sich um Wundversorgung und Vermeidung von Verletzungen und Infektionen.
Bei der 29. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI) in München beschrieb Prof. Dr. med. Johann Bauer, Vorstand der Uniklinik für Dermatologie und Allergologie in Salzburg, aktuelle Therapieoptionen bei diesem seltenen Erkrankungsbild. Das Salzburger EB-Haus Austria bietet als europaweites EB-Zentrum einen Anlaufpunkt für „Schmetterlingskinder“ und ihre Familien: „Die Epidermolysis bullosa ist eine Krankheit mit blasiger Hautablösung. Dabei handelt es sich um eine Erkrankungsgruppe, es gibt nicht die Epidermolysis bullosa als uniformes Bild, es sind Untergruppen bekannt, die sehr unterschiedlich verlaufen können.“ Je nach morphologischer Ebene der Spaltbildung lassen sich 4 Hauptgruppen unterscheiden: Die EB simplex mit Spaltbildung in der Epidermis, die junktionale EB mit Spaltbildung in der Lamina lucida, die dystrophe EB mit Spaltbildung in der Sublamina densa der oberen Dermis und die Kindler-EB mit variabler Ebene der Spaltbildung.
Mutationsanalyse zur Differenzialdiagnose
Hautbiopsien können bereits einen Hinweis auf dahinterliegende Mutationen geben. „Der Mainstay heutzutage ist die Sequenzierung: die Exomsequenzierung“, erläuterte Bauer. Die Mutationsanalyse sei in der frühen Phase essenziell für die Prognoseeinschätzung und die Beratung. Die Triosequenzierung von Mutter, Vater und Kind kann bei einer erneuten Schwangerschaft auch in der Pränataldiagnostik eingesetzt werden.
Bislang wurden pathogene Varianten in mindestens 16 Genen identifiziert, überwiegend für Strukturproteine der Keratinozyten und Basalmembranzone, wie Keratine, Laminin 332 oder Kollagen 7. Sie sind Ansatzpunkte für experimentelle Gentherapien. Ein Ziel ist das Gen COL7A1, das Kollagen 7 kodiert. Hierfür wurde die topische Gentherapie Beremagene Geperpavec mit funktionellen Kopien in den USA bereits für die dystrophe EB zugelassen, und auch für Europa wird die Zulassung erwartet.
Breites Spektrum an Erosionen
In der Praxis kann die EB nach geringster Berührung ein breites Spektrum an Erosionen und chronische Vernarbungen auslösen. EB betrifft auch andere Organe, beschrieb Bauer: „Überall, wo Epithelien sind, können Probleme auftreten.“ So können Läsionen im Mundraum, in der Speiseröhre und im Magen-Darm-Trakt Schluckbeschwerden und Schmerzen hervorrufen. Das Hauptaugenmerk der Versorgung von Kindern mit EB gilt der Vermeidung von Wunden: So sollten Säuglinge nicht unter den Armen hochgehoben werden, sondern nur mit einer Decke oder seitlich in die Hände gerollt werden, Reibungen und Druck müssen vermieden werden. Doch trotz aller Vorsicht sei es laut Bauer nicht möglich, die Blasenbildung zu verhindern.
Wundversorgung
Bei Kindern und Jugendlichen sind Eltern beim Verbandswechsel meist stark eingebunden. Nach dem Lösen der Verbände mit Wundspüllösung ist die Wundreinigung essenziell. Verbände können im Bad gelöst werden – mit rückfettenden und desinfizierenden Zusätzen – was für die Kinder oft angenehmer ist. Je nach Zustand der Wunden werden Wundheilsalben oder antibiotische Cremes eingesetzt, bei chronischen Wunden kommen auch kurzzeitig Steroide zum Einsatz. Wundauflagen dürfen nicht haftend oder klebend sein.
Zur Wundheilungsförderung ist die Behandlung mit Oleogel-S10 die erste in der EU zugelassene Therapieoption: Die Creme mit 10 % Trockenextrakt aus Birkenrinde ist seit 2022 für die Behandlung von oberflächlichen Wunden im Zusammenhang mit dystropher und junktionaler EB ab 6 Monaten zugelassen. Laut Bauer zeigte Oleogel-S10 in der größten Studie bei genetischen Erkrankungen der Haut eine gute Wirksamkeit im Sinne eines kompletten Wundverschlusses. Schmerzen und Juckreiz bilden oft einen Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Bei schwerer dystropher EB treten häufig auch Plattenepithelkarzinome auf – laut Bauer die häufigste Todesursache bei rezessiver dystropher EB.
Neben der Anbindung an ein Zentrum für seltene Erkrankungen, etwa in Freiburg, helfen für die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Dermatologinnen und Dermatologen die EB-Leitlinien.
Das EB Clinet ist ein weltweites Netzwerk, mit dem die Behandlung der EB verbessert werden soll. Das Netzwerk veröffentlicht Leitlinien und praktische Empfehlungen für an EB Erkrankte, von der Wundversorgung über Mundhygiene, chirurgische Maßnahmen, Physiotherapie bis hin zu Schmerzmanagement und palliativen Maßnahmen.
Symposium „Praktisches Krankheitsmanagement: Genetische Hautkrankheiten“, anlässlich der FOBI, München, Juli 2024
Bildnachweis: EB-Haus Austria