Migräne mit Aura ist eine häufige neurologische Erkrankung, die nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann, sondern auch eine diagnostische Herausforderung für die behandelnden Ärzte und Ärztinnen darstellt.
Die Migräne-Aura ist definiert durch transiente neurologische Symptome, welche meist der Kopfschmerzattacke vorangehen und sich innerhalb von einer Stunde vollständig zurückbilden. Typisch ist eine langsame Ausbreitung der Symptome über mehrere Minuten bzw. das aufeinanderfolgende Erscheinen von visuellen sowie ggf. sensiblen und aphasischen Symptomen.
Die Diagnose einer Migräne mit Aura ist anhand von Kriterien, die von der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) festgelegt wurden, definiert.
Der Kopfschmerz im Anschluss an die Migräne-Aura muss nicht zwingend einem Migränekopfschmerz nach den Kriterien der Migräne ohne Aura entsprechen. Manche Menschen erleben die Aura auch erst während der Kopfschmerzphase oder sogar ohne begleitenden Kopfschmerz im Sinne einer isolierten Migräne-Aura. Sollten sowohl Migräneattacken mit als auch ohne Aura vorkommen, müssen beide Diagnosen separat kodiert werden.
Symptome der Migräne-Aura
Am häufigsten (> 95 %) werden visuelle Phänomene als Ausdruck einer Migräne-Aura beschrieben. Betroffene nehmen oft Lichtblitze, Zickzacklinien oder Skotome wahr, die im Zentrum des Gesichtsfelds beginnen und allmählich nach außen wandern. Seltenere Symptome umfassen Sensibilitätsstörungen (sensorische Aura) und Sprachstörungen (aphasische Aura). Ähnlich wie bei den visuellen Phänomenen handelt es sich bei der sensorischen Aura meist um Positivsymptome wie kribbelnde oder nadelstichartige Missempfindungen, welche sich langsam über eine Seite des Körpers ausbreiten. Aphasische Symptome können sich als stockender Sprachfluss und Wortfindungsstörungen äußern. Die Aphasie gilt per Definition als einseitiges Symptom, da es in der Regel die Beteiligung des linkshemisphärischen Kortex voraussetzt.
Motorische Auren sind selten und werden als eigenständige Diagnose der hemiplegischen Migräne (HM) zugeordnet. Das Ausmaß der motorischen Ausfälle kann von leichtgradigen Paresen eines Arms bis zum Verlust der Gehfähigkeit reichen. Prinzipiell können im Zuge von Migräne-Auren weitere komplikative Phänomene wie Schwindel, Verwirrtheit und Bewusstseinsstörungen auftreten, diese sind jedoch meist nur im Zusammenhang mit besonders schweren Phänotypen wie der HM zu finden.
Sonderformen
Die seltene HM (Prävalenz ca. 0,01 %) ist durch das Auftreten motorischer Auren definiert. Bei der familiären hemiplegischen Migräne (FHM1–3) handelt es sich um eine monogene Erkrankung, für die bislang 3 zugrunde liegende Gene bekannt sind. Sämtliche bekannte Genotypen betreffen Mutationen in transmembranären Ionenkanälen, wodurch eine Einflussnahme auf die exzitatorische kortikale Erregungsbildung angenommen wird.
Neben der Migräne mit typischer Aura und der HM werden in der internationalen Kopfschmerzklassifikation auch Migräne mit Hirnstammaura und retinale Migräne aufgeführt. Die Migräne mit Hirnstammaura (früher Basilarismigräne) ist durch mind. 2 vollständig reversible Hirnstammsymptome (Dysarthrie, Schwindel, Tinnitus, Hörminderung, Doppelbilder, Ataxie, Bewusstseinsstörung) gekennzeichnet. Das Auftreten von motorischen oder retinalen Symptomen schließt die Diagnose einer Hirnstammaura aus.
Bei der retinalen Migräne treten transiente monokuläre Sehstörungen (Flimmern, Skotom, Erblindung) in Verbindung mit Kopfschmerzen auf. Die Diagnosestellung erfordert eine dezidierte Untersuchung des Gesichtsfelddefekts mit Vergleich der visuellen Funktionen auf beiden Augen sowie den Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen.
Herausforderungen
Manchen Betroffenen fällt es schwer, retrospektiv präzise Angaben zu Beginn, Entwicklung und Dauer der Aurasymptome zu machen. Häufig werden z. B. lateralisierte Sehstörungen mit monokulären Sehstörungen verwechselt oder sensible Defizite als subjektive Schwäche angegeben. Hier empfiehlt sich das Aufzeichnen der Symptomfolge und des zeitlichen Verlaufs in einem Attackenkalender.
In einigen Fällen kann es dennoch schwierig sein, eine Migräne-Aura von anderen neurologischen Erkrankungen zu unterscheiden. Kritisch ist insbesondere die Abgrenzung zu akuten vaskulären Störungen, z. B. zerebrale bzw. retinale Ischämien oder das posteriore reversible Vasokonstriktionssyndrom (PRES). Insbesondere bei Erstmanifestation nach dem 40. Lebensjahr, ausschließlichen Negativsymptomen (z. B. Hemianopsie), isolierten oder prolongierten Symptomen sollten mögliche Differenzialdiagnosen mithilfe einer zerebralen Bildgebung ausgeschlossen werden.
Die Autorin
Dr. med. Victoria Ruschil
Zertifizierte Kopf- und Gesichtsschmerzexpertin der DMKG
Uniklinik Tübingen
Literatur bei der Autorin
Bildnachweis: privat