Die Necrobiosis lipoidica stellt eine seltene, aber wichtige Differenzialdiagnose beim Ulcus cruris dar. Klare und einheitliche Therapieempfehlungen fehlten bislang. Eine aktuelle S1-Leitlinie gibt jetzt konsensbasierte Empfehlungen zur Diagnostik sowie zu topischen und systemischen Therapiemaßnahmen.
Bei der Necrobiosis lipoidica handelt es sich um eine seltene, granulomatöse Erkrankung (Orphanet Code 542592). Die wissenschaftliche Datenlage zur Necrobiosis lipoidica ist noch unzureichend, und insbesondere randomisierte, placebokontrollierte klinische Studien als Basis für evidenzbasierte Therapieempfehlungen fehlen.
In einer aktuellen S1-Leitlinie werden nun von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) unter Leitlinienkoordinatorin PD Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge vom Medizinischen Wundzentrum des Universitätsklinikums Erlangen konsensbasierte Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie der Necrobiosis lipoidica gegeben. Ziel der Leitlinie ist es, ein strukturiertes Vorgehen in Klinik und Praxis zu erleichtern und die Versorgungssituation von Menschen mit dieser seltenen Erkrankung zu verbessern.
Pathogenese: bislang unklar
Die Necrobiosis lipoidica tritt vor allem bei Erwachsenen mittleren Alters auf, kann jedoch auch Kinder und ältere Erwachsene betreffen.
Verlässliche Angaben zu Prävalenz und Inzidenz finden sich der Leitlinie zufolge in der Literatur allerdings nicht. Sehr häufig wird eine Assoziation mit einem Diabetes mellitus beobachtet. Die Angaben schwanken zwischen 11 % und 65 %. Umgekehrt tritt die Necrobiosis lipoidica bei weniger als 1 % aller Menschen mit Diabetes mellitus auf. Weitere mit der Necrobiosis lipoidica häufiger assoziierte Erkrankungen sind Schilddrüsenfunktionsstörungen, vor allem eine Hypothyreose, seltener Adipositas, arterielle Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen.
Über die Pathogenese der Necrobiosis lipoidica wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Neben mikroangiopathischen Veränderungen werden vaskuläre Störungen mit Immunkomplexablagerungen sowie eine ausgeprägte Kollagendegeneration beschrieben, sodass eine autoimmunologische Genese möglich ist.
Diagnosestellung: vorrangig klinisch
Die Diagnostik der Necrobiosis lipoidica erfolgt der Leitlinie zufolge vor allem anhand des klinischen Bildes. Dieses ist charakterisiert durch meist ovale, bräunlich-gelbliche Plaques mit initial entzündlichem Randsaum und im Verlauf oft atrophem Zentrum. Häufig finden sich gut sichtbare gewundene Teleangiektasien in den Plaques. Selten treten auch ein perifollikuläres Erythem oder eine follikuläre Hyperpigmentierung auf.
Die Hautveränderungen können einzeln auftreten, oft sind aber multiple Läsionen vorhanden. Die häufigsten Prädilektionsstellen sind die Unterschenkel, insbesondere die prätibialen Areale. Zu den weiteren Lokalisationen zählen die Beine insgesamt, die Arme oder das Abdomen sowie der Genitalbereich.
Die meisten Betroffenen haben im frühen Stadium kaum oder keine Beschwerden. Juckreiz, Dysästhesie oder Schmerzen können jedoch auftreten. Der Verlauf der Erkrankung ist chronisch. Als Komplikation kann es zu einer Ulzeration kommen, oft nach einer Bagatellverletzung. Zu den seltenen Komplikationen zählt die Entwicklung eines kutanen Malignoms auf dem Boden einer ulzerierten Necrobiosis lipoidica nach meist jahrelangem Verlauf.
Eine ergänzende dermatoskopische Untersuchung kann der Leitlinie zufolge erwogen werden. In klinisch unklaren Fällen, bei ungewöhnlicher Lokalisation, bei Ulzeration oder bei Hinweisen auf Malignität wird die Entnahme einer Gewebeprobe zur histologischen Sicherung empfohlen.
Basismaßnahme: Kompressionstherapie bei Ulzeration
Als Basismaßnahme in der Therapie der Necrobiosis lipoidica empfiehlt die Leitlinie eine Optimierung der diabetischen Stoffwechsellage, um das allgemeine Gesundheitsrisiko zu verringern. Ein direkter Einfluss auf die Necrobiosis lipoidica kann jedoch nicht sicher beurteilt werden.
Die Kompressionstherapie gilt traditionell als eine Säule der konservativen Therapie bei der Necrobiosis lipoidica. Wirkmechanismen wie eine Ödemreduktion, die Verbesserung der Mikrozirkulation sowie antiinflammatorische Effekte werden diskutiert. Auch wenn der Nutzen nicht durch klinische Studien belegt ist, wird die Kompressionstherapie in der Leitlinie auf der Basis von vorhandener Literatur und eigenen Erfahrungen insbesondere bei ulzerierenden Verläufen empfohlen, sofern keine Kontraindikationen wie eine dekompensierte Herzinsuffizienz oder eine fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) vorliegen oder Faktoren wie Schmerzen den Einsatz limitieren. Bei ulzerierenden Läsionen wird eine lokale Wundbehandlung empfohlen.
Topische Therapie: Glukokortikosteroide sind erste Wahl
Als primäre lokale Therapiemaßnahme empfiehlt die Leitlinie topische Glukokortikosteroide, bevorzugt der Klasse III bis IV, im Randbereich inflammatorischer Necrobiosis-lipoidica-Läsionen. Im Zentrum der Läsionen ist eine topische antientzündliche Therapie nicht Erfolg versprechend, da hier oft bereits eine Atrophie und bindegewebige Umwandlung ohne wesentliche Inflammation vorliegen.
Die topische Anwendung von Glukokortikosteroiden ist seit vielen Jahrzehnten der initiale Therapiestandard. Auch wenn vor allem Fallberichte und keine prospektiven, randomisierten, kontrollierten klinischen Studien vorliegen, besteht Expertenkonsens, dass initial eine Therapie mit topischen Glukokortikosteroiden versucht werden soll.
Aufgrund des granulomatösen Charakters und der Tiefe des inflammatorischen Infiltrats soll die Behandlung bevorzugt unter okklusiven Bedingungen erfolgen. Kann ein zufriedenstellender Therapieeffekt nicht erreicht werden, kann eine intraläsionale Applikation erwogen werden.
Weitere lokale Optionen
Als Alternative zu topischen Glukokortikosteroiden empfiehlt die Leitlinie für die antiinflammatorische Lokaltherapie Tacrolimus-Salbe. Zur Anwendung bei Necrobiosis lipoidica liegen aktuell nur Fallserien vor. Aufgrund des erfolgreichen Einsatzes in den dokumentierten Fällen sowie des sehr guten Nebenwirkungsprofils kommt die topische Applikation von Tacrolimus als Zweit- oder Drittlinientherapie, eventuell unter Okklusion zur Penetrationsverbesserung, in der Praxis häufig zum Einsatz.
Die Anwendung des topischen Januskinase-Inhibitors Ruxolitinib kann der Leitlinie zufolge erwogen werden. Bei Versagen anderer Therapiemaßnahmen kann auch die intraläsionale Anwendung von Infliximab eine Überlegung wert sein. Fallberichte weisen auf eine mögliche Wirksamkeit dieser Optionen bei Necrobiosis lipoidica hin.
Zum Einsatz der Phototherapie bei Necrobiosis lipoidica ist ebenfalls eine Reihe erfolgreicher Behandlungsfälle publiziert worden. Die Leitlinie kommt in ihrer Bewertung zu dem Schluss, dass die (Creme-)PUVA-Therapie zur Behandlung der Necrobiosis lipoidica empfohlen werden kann. Die UVA1-Therapie, die photodynamische Therapie und die Anwendung des fraktionierten CO2-Lasers können ebenfalls erwogen werden.
Systemtherapie: in schweren Fällen
Eine Systemtherapie der Necrobiosis lipoidica erfolgt in der Regel erst nach besonderer Abwägung, vor allem bei schwerer Erkrankung und insbesondere bei Auftreten einer Ulzeration. Die dabei verfolgten Therapieansätze zielen vornehmlich auf eine antiinflammatorische Wirkung ab. Bei fehlender entzündlicher Aktivität und atrophen, größenstabilen Restläsionen ist der Leitlinie zufolge keine Rückbildung zu erwarten. Dann kann eine dermokosmetische Beratung erfolgen.
Zur systemischen Therapie im entzündlichen Stadium finden in der klinischen Anwendung systemische Glukokortikosteroide weitgehenden Konsens und werden in der Leitlinie empfohlen. Zu beachten ist aber, dass die diabetische Stoffwechsellage insbesondere bei höherer Dosierung oder langer Anwendungszeit ungünstig beeinflusst werden kann. Als Systemtherapeutika, deren Anwendung zur Behandlung der Necrobiosis lipoidica empfohlen werden kann, werden (Hydroxy)chloroquin, TNF-alpha-Inhibitoren oder Ustekinumab, Ciclosporin und Fumarsäureester aufgeführt.
Zurzeit liegen der Leitlinie zufolge jedoch noch keine Ergebnisse aus randomisierten, placebokontrollierten, klinischen Studien vor, die die Wirksamkeit der Behandlungsoptionen belegen. Weitere Forschung ist in diesem Bereich daher erforderlich.
Die Expertin
PD Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge
Hautklinik, Uniklinikum Erlangen
Medizinisches Wundzentrum ICW/DDG
S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Necrobiosis lipoidica”, AWMF-Reg.-Nr. 013-096; 2024
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