Das Merkelzellkarzinom ist ein seltener, neuroendokriner Tumor der Haut. Der exakte zelluläre Ursprung dieses Tumors ist bis zum heutigen Tag als nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass das Merkelzellkarzinom von Vorläuferzellen, möglicherweise abgeleitet von epidermalen Stammzellen der Haarfollikel oder der dermalen Fibroblasten ausgeht.
Das Merkelzellkarzinom ist ein extrem aggressiver, mit einer hohen Letalität verbundener Hauttumor. Mehr als ein Drittel der betroffenen Patienten versterben an der Erkrankung. Damit besitzt das Merkelzellkarzinom eine höhere Sterblichkeitsrate als das maligne Melanom. Das Merkelzellkarzinom ist zudem ein sehr seltener Hauttumor. Trotz Einführung der bundesweiten Krebsregister sind aktuelle Angaben zur Inzidenz des Merkelzellkarzinoms in Deutschland nur schwer möglich. Von einem Merkelzellkarzinom sind Männer häufiger als Frauen betroffen, sowie hellere Hauttypen häufiger als dunklere. Mit einem mittleren Alter bei Erstdiagnose zwischen 75 und 80 Jahren ist das Merkelzellkarzinom ein Tumor des älteren Menschen.
In der Karzinogenese des Merkelzellkarzinoms spielt die kumulative UV-Exposition der Haut eine entscheidende Rolle. Analog scheint eine verstärkte Hautpigmentierung, die Schutz gegen UV-Strahlung bietet, protektiv gegen die Entstehung eines Merkelzellkarzinoms zu wirken, da dunkelhäutige, asiatische und lateinamerikanische Menschen ein beträchtlich geringeres Risiko haben, an einem Merkelzellkarzinom zu erkranken als hellhäutige Menschen. Hinzu kommt, dass das Merkelzellkarzinom gehäuft an den chronisch sonnenexponierten Arealen der Haut auftritt. Zudem wurde beobachtet, dass betroffene Patienten in der Vorgeschichte häufig bereits andere UV-assoziierte Hauttumoren aufwiesen. Als zweiter prädisponierender Faktor spielt die Immunsuppression eine entscheidende ätiopathogenetische Rolle für die Entstehung eines Merkelzellkarzinoms. So treten diese Tumoren häufiger bei Patienten mit hämatopoetischen Neoplasien (Leukämien, Lymphome), bei Patienten mit HIV-Infektion oder bei iatrogen immunsupprimierten Patienten z. B. nach erfolgter Organtransplantation auf. Hierbei gilt es zu beachten, dass in diesen Fällen das mediane Erkrankungsalter niedriger und die Mortalität höher ist als bei immunkompetenten Patienten. Angesichts des deutlich erhöhten Risikos für die Ausbildung eines Merkelzellkarzinoms bei älteren und immungeschwächten Patienten wurde schon früh an das Vorhandensein spezifischer auslösender Pathogene gedacht. Durch den Einsatz moderner molekularbiologischer Techniken, vor allem durch die Möglichkeit der Sequenzierung des gesamten Genoms, konnte 2008 erstmals das mit dem Tumor assoziierte Merkelzellpolyomavirus (MCPyV) dargestellt und isoliert werden. Die Untersuchungen zeigten, dass die virale DNA dieses Polyomavirus klonal in das Genom der Tumorzellen integriert vorlag, und bei circa 80 % aller Merkelzellkarzinome in Europa nachweisbar war. Polyomaviren sind kleine doppelsträngige DNA-Viren, die bei Vögeln und Säugetieren vorkommen. Häufig persistieren sie als latente Infektion ohne eine Erkrankung beim Wirts-organismus auszulösen; einige der Viren haben jedoch onkogenes Potenzial durch Integration viraler DNA in das Genom der Wirtszellen. Untersuchungen an Patienten verschiedenen Alters legen nahe, dass die Infektion typischerweise in der Kindheit erworben wird, wobei die genaue Übertragungsart noch unklar ist. In Korrelation der hohen Seroprävalenz für das MCPyV und der niedrigen Inzidenz des Merkelzellkarzinoms in der Bevölkerung muss davon ausgegangen werden, dass andere Faktoren wie beispielsweise UV-Exposition oder Immunsuppression von zusätzlicher ätiopathogenetischer Bedeutung sind, sodass aktuell die Hypothese einer viralen und einer nicht-viralen Ätiologie vertreten wird.
Das Merkelzellkarzinom präsentiert sich als schnell wachsender, solitärer, kutaner oder subkutaner Tumor, der meist in UV-exponierten Arealen, insbesondere der Kopf-Hals-Region, seltener an den Extremitäten oder am Stamm, lokalisiert ist. Die typische Hautläsion ist ein roter bis bläulich-violetter Nodus, der asymptomatisch ist und häufig als benigne Läsion missgedeutet werden kann. Ulzerationen sind eher ungewöhnlich. Aufgrund der klinisch unspezifisch imponierenden Primärläsion wird die klinische Diagnose des Merkelzellkarzinoms häufig erst spät gestellt. Das Akronym AEIOU wurde erarbeitet, um Hilfestellung bei der Diagnosefindung zu geben (A = asymptomatisch, E = schnelle Expansion, I = immunsupprimierter Patient, O = älterer (older) Patient (> 50 Jahre), U = UV-exponierte Lokalisation). Lokoregionäre Metastasen an Haut und Lymphknoten sind häufig. Des Weiteren werden Fernmetastasen ebenfalls häufig an Haut und Lymphknoten gefunden, aber auch in der Lunge, Leber, Knochen, Nebennieren und dem ZNS.
Differenzialdiagnosen des Merkelzellkarzinoms sind zahlreich, sowohl klinisch als auch histologisch. Die histopathologische und immunhistochemische Diagnostik einer Probebiopsie sind daher essenziell für die exakte Sicherung der Diagnose. Zusätzlich zur konventionellen Histologie sollte zur Diagnosesicherung eines Merkelzellkarzinoms stets eine Immunhistochemie erfolgen. Dabei lassen sich sowohl epitheliale Antigene wie z. B. Zytokeratin 8, 18, 19, 20 als auch neuroendokrine Marker wie z. B. neuronenspezifische Enolase (NSE) als positiv darstellen. Der wichtigste immunhistochemische Marker ist das Cytokeratin 20 (CK20). Zur Abgrenzung gegen andere Tumorentitäten sollte die Färbung des thyroidalen Transkriptionsfaktors 1 (TTF-1; Abgrenzung kleinzelliges Bronchialkarzinom) negativ sein. Mit einem erhöhten Risiko eines mikroskopischen Lymphknotenbefalls werden eine hohe Tumordicke, eine erhöhte Mitoserate, ein infiltratives Wachstumsmuster und das Vorhandensein von Lymphgefäßeinbrüchen assoziiert. Nach erfolgter histopathologischer Diagnosestellung sollte eine Ausbreitungsdiagnostik erfolgen. Dazu gehört eine Sonografie der Lymphknoten, eine CT von Thorax und Abdomen sowie ein Schädel-MRT. An vielen Zentren kommt aktuell stattdessen die PET-CT Bildgebung zum Einsatz. Da das Merkelzellkarzinom frühzeitig lymphogen metastasiert, stellt die Wächterlymphknotenbiopsie (Sentinel lymph node biopsy, SLNB) einen wichtigen Bestandteil des Tumorstagings dar. Ein Tumorbefall in den Wächterlymphknoten geht für den betroffenen Patienten mit einer deutlich schlechteren Prognose einher.
Die vollständige chirurgische Exzision sollte aufgrund der hohen Lokalrezidivrate mit einem Sicherheitsabstand von allseits 2 cm erfolgen. Da jedoch 40–50 % der Merkelzellkarzinome im Kopf-Hals-Bereich auftreten, ist je nach Lokalisation und nach Abwägung funktioneller Einschränkungen auch ein anatomisch angepasster Sicherheitsabstand mit chirurgischer Schnittrandkontrolle vertretbar. Bei klinisch unauffälligen lokoregionären Lymphknoten sollte im Rahmen der Nachexzision eine Wächterlymphknotenbiopsie erfolgen, da in circa 30 % der Fälle bereits Mikrometastasen der Lymphknoten vorhanden sind. Das ermittelte 3-Jahres-Überleben für Patienten mit negativer SLNB beträgt 88 % versus 57 % für Patienten mit positiver SLNB. Aufgrund dieser starken prognostischen Aussagefähigkeit ist die Wächterlymphknotenbiopsie bei klinisch unauffälligem Lymphknotenstatus und nicht eingeschränkter OP-Fähigkeit unabhängig von der Tumorgröße bzw. dem Tumordurchmesser anzustreben.
Bis 2016 stellte die Chemotherapie die empfohlene Erstlinientherapie des inoperabel metastasierten Merkelzellkarzinoms dar. Die verwendeten Chemotherapieschemata waren aus dem Bereich anderer kleinzelliger Karzinome, wie z. B. dem kleinzelligen Bronchialkarzinom, mit Platin, Etoposid, Taxanen oder Anthrazyklinen in Mono- oder Kombinationstherapie abgeleitet worden. Die Ansprechraten beim Merkelzellkarzinom waren mit 20–60 % je nach Therapielinie vergleichsweise hoch, jedoch war dieses Therapieansprechen generell von sehr kurzer Dauer und führten daher zu stark eingeschränkten medianen Überlebenszeiten von nur fünf bis zehn Monaten nach Diagnosestellung der Fernmetastasierung. Mit der Einführung der Immun-Checkpoint-Inhibitoren, insbesondere der gegen die PD-1/PD-L1-Achse gerichteten Antikörper, hat sich die Systemtherapie des Merkelzellkarzinoms grundlegend gewandelt. So wurde 2017 der gegen PD-L1 gerichtete Antikörper Avelumab zur Therapie des metastasierten Merkelzellkarzinoms zugelassen. Avelumab ist ein humanisierter IgG1-Antikörper gegen PD-L1, und wirkt über eine Verstärkung und Aufrechterhaltung der körpereigenen T-Zell-vermittelten anti-tumoralen Immunantwort. In der dieser Zulassung zugrunde liegenden Phase-II-Studie an 88 Merkelzellkarzinom-Patienten, bei denen eine konventionelle Chemotherapie versagt hatte, zeigten 28 Patienten ein Therapieansprechen (32 %), darunter waren acht Komplettremissionen und 20 partielle Remissionen. Diese Ansprechraten sind gegenüber einer Chemotherapie nicht unmittelbar überlegen; bedeutsam ist jedoch vor allem die weit höhere Rate der Langzeit-Ansprecher. Ähnlich gute Ergebnisse zeigten sich in klinischen Studien mit den PD-1-Antikörpern Nivolumab und Pembrolizumab. Diese beiden Substanzen besitzen jedoch in Europa bislang keine Zulassung für die Behandlung des inoperablen Merkelzellkarzinoms. Für die adjuvante Situation des Merkelzellkarzinoms gibt es aktuell keine empfohlene Systemtherapie. Eine aktuell rekrutierende klinische Studie (ADMEC-O) behandelt Patienten in tumorfreier Situation nach vorangegangener Operation eines Merkelzellkarzinoms mit Nivolumab im Vergleich zu einer Beobachtungsgruppe ohne Therapie.
Die Überlebensrate eines Patienten mit Merkelzellkarzinom hängt vom Stadium der Erstdiagnose ab. Nach einer aktuellen Analyse beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate für Patienten im Stadium I 63 %, im Stadium II 35–55 %, im Stadium III 27–40 % und im Stadium IV nur 14 %. Es ist zu erwarten, dass sich diese Zahlen durch den vermehrten Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren deutlich verbessern werden. Weitere prognostisch ungünstige Parameter sind ein horizontaler Tumordurchmesser > 2 cm mit einer 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 50 und 60 %, wohingegen Primärtumoren
Die Autorin
Prof. Dr. med. Selma Ugurel
Klinik für Dermatologie,
Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Essen
45122 Essen
Der Autor
Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf
Direktor der Klinik für Dermatologie und Direktor des Westdeutschen
Tumorzentrums (WTZ)
Universitätsklinikum Essen
Bildnachweis: Meranna (iStockphoto); Martin Kaiser Medienzentrum, privat