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Dermatologie

Chronische Wunden und Amputationsvermeidung

Eine vaskuläre Herausforderung

Dr. med. Holger Diener

Die Mehrzahl der vorgenommenen Major- und Minoramputationen sind vaskulärer und diabetischer Genese. Die Dringlichkeit der Behandlungsbedürftigkeit, insbesondere der chronischen kritischen Ischämie (CLI), wird dabei häufig unterschätzt und geht mit einer anhaltend hohen Morbidität und Mortalität einher. Weltweit sind anhaltend hohe Inzidenzen an Majoramputationen alarmierend, die Forderungen nach verbesserten Behandlungsstrategien laut werden lassen.

Gefäßmedizinische Zentren konnten hingegen in den vergangenen Dekaden durch aggressive Revaskularisierungsmaßnahmen zu erhöhten Beinerhaltungsraten und verbesserten Offenheitsraten und insbesondere der Wundheilung beitragen. Zu Unrecht wird immer noch vielerorts die technisch aufwendige Rekonstruktion der cruralen und pedalen Gefäße offen wie auch endovaskulär kritisch beurteilt. In ausgewiesenen Zentren konnte eine primäre Offenheitsrate nach Angioplastie (PTA = perkutane transluminale Angioplastie) infrapopliteal bei CLI (n = 1.743) nach einem Monat von 77,4 % und nach 36 Monaten von 48,6 %, sekundäre Offenheitsraten von 83,3 % respektive 62,9 % sowie Beinerhaltungsraten von 93,4 % respektive 82,4 % bei einer Überlebensrate von 98 % respektive 68 % aufzeigen. Endovaskuläre Techniken erlauben zudem auf minimalinvasive Weise die Perfusion vielfältig zu verbessern und erlauben Interventionen bei multimorbiden Patienten aufgrund geringerer Rate an periprozeduralen kardiovaskulären Komplikationen. Neben dieser Endovaskular-first-Strategie hat auch die offene crurale gefäßchirurgische Versorgung ihren Stellenwert in der Komplex­behand­lung, insbesondere bei Patienten im guten körper­lichen Zustand und relativ langer Lebenserwartung und pedalem Run-off. Nach ­femoro cruraler Bypass­anlage unter Verwendung autologer Venen sind Offen­heitsraten von 82 % und 80 % Beinerhaltungsraten nach fünf Jahren publiziert. Die Offenheitsrate von pedal angelegten Bypässen beträgt in Zentren mit entsprechender Expertise bis zu 79 % nach drei Jahren. Dadurch kann die Abheilung chronischer Ulzerationen, das amputationsfreie Überleben und die Lebens­qualität der Betroffenen verbessert werden.

Behandlung unerlässlich

Lokaltherapeutisch ist die Wirksamkeit hydroaktiver Wundauflagen belegt und zeigt eine um 52 % höhere Abheilungswahrscheinlichkeit gegenüber konventionellen Wundauflagen. In der Metaanalyse wurde durch eine unselektierte Herangehensweise die ­gesamte publizierte Evidenz zur Effektivität analysiert. Dabei wurden 65 kontrollierte Studien mit über 5.698 Patienten in die Ergebnisse eingeschlossen. Insgesamt zeigten sich in diesem Studienarm hydroaktive Wundauflagen mit einer Odds Ratio von 1,52 signifikant überlegen. Die Chance auf ­Abheilung war in den Studienarmen zu hydroaktiven Wundauflagen im Mittel um 52 % signifikant ­höher. Die interaktiven Wundauflagen besitzen in der Regel eine äußere, für Flüssigkeiten undurchlässige semipermeable Membran, die aber den Gasaustausch mit der Umgebung ermöglicht. Das Wundsekret wird zunächst in diese Wundauflagen aufgesogen, um dann auch wieder an die Wunde abgegeben zu werden (= interaktiv, Phasen­umkehr). Derartige Komplettsysteme sind auch mit Polyurethanschäumen auf dem Markt. Die ­aktiven Wundsysteme stellen die letzte Entwicklung der modernen Wundauflagen dar. ­Ihnen ist die ­Kombination einer feuchten Wundauflage mit einer aktiven, wundheilungsfördernden Wirksubstanz ge­mein­sam. Je nach klinischem Zustand der Wunde existieren Wundauflagen, die eine übermäßige Wund­sekretion aufnehmen können, z. B. Alginate, ­Superabsorber, die trockene Wunden feuchthalten, z. B. Hydrogele, oder Materialien, ­deren feuchtigkeitsregulierende Wirkung dazwischen anzusiedeln ist, z. B. Schaumverbände. Die Kombination von Wundverbänden mit Silber-Komponenten als lokalen, antimikrobiellen Wirkstoff wird von vielen ­Herstellern angeboten. Die Wirksamkeit von Silber ist jedoch wissenschaftlich weiterhin nicht eindeutig ­belegt und sollte initial nicht länger als 14 Tage ­verordnet werden. Die topische Antibiotikaanwendung bei Nachweis eines mikrobiellen Keims in ­einer chronischen Wunde ist hingegen ­obsolet. ­Antiseptika sind dagegen vielfältig einsetzbar und deren Wirksamkeit belegt. Polihexanid und Gemische von Natriumhypochlorit/hypochloriger Säuren zeigen mitunter eine verbesserte Wundheilung. Durch ­diesen mehrarmigen Ansatz, Erkennen einer vaskulären Ursache, adäquater Diagnostik mittels Farb­duplexsonografie und Angiografie, interventionelle oder gefäßchirurgische Revaskularisation und ­Expertise in der Wundbehandlung bis hin zur ­An­­­wendung von Techniken einfacher plastischer ­Deckungen, nimmt der Gefäßchirurg in der Behandlung chronischer Wunden eine exzeptionelle Stellung ein. Die Kampagne „Ihre Wunde in unsere Hände“ der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin unterstützt dieses Bestreben zur ­Verbesserung der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden.

Der Autor

Dr. med. Holger Diener
Chefarzt Gefäßchirurgie
Abteilung für Gefäß- und Endovaskularchirurgie, Wundkompetenzzentrum
Krankenhaus Buchholz/Nordheide
21244 Buchholz

holger.diener@krankenhaus-buchholz.de

Facharzt für Allgemein- und Gefäßchirurgie
Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin, Universitätsklinikum Hamburg,
Herz- und Gefäßzentrum
20246 Hamburg

h.diener@uke.de

Leiter der Wundkommission der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin

Literatur beim Autor

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