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Allgemeinmedizin

Chondrokalzinose

Krankheit im Schatten der Gicht

Dr. med. Bianca Bach

30.9.2024

Trotz hoher Prävalenz ist die Calcium-Pyrophosphat-Ablagerungskrankheit oder Chondrokalzinose nicht gänzlich verstanden und unzureichend erforscht. Mangels Evidenz orientiert sich die Therapie weitgehend an der bei Gicht – nur ist den Kristallablagerungen bei der Erkrankung bisher nicht beizukommen.

Die wegen klinischer Ähnlichkeiten früher oft als „Pseudogicht“ bezeichnete Chondrokalzinose ist eine der häufigsten Ursachen für Gelenkentzündungen und betrifft bei mit dem Alter steigender Prävalenz mehr als 10 % der über 70-Jährigen [1].

Nicht immer ist das evident, denn klinisch ist die Calcium-Pyrophosphat-Ablagerungskrankheit (Calcium Pyrophosphate Deposition [CPPD] Disease) oder Chondrokalzinose heterogen. Es gibt verschiedene Verlaufsformen [2]:

  1. rein radiografisch: asymptomatisch und nicht therapiebedürftig
  2. akute CPP-Arthritis: ähnelt einem Gichtanfall mit akuter schmerzhafter Schwellung, Rötung und eventuell Allgemeinsymptomen wie Fieber
  3. chronische CPP-Arthritis: variable Krankheitsaktivität, akute Schübe und Verwechslung mit rheumatoider Arthritis (RA) möglich
  4. arthrotischer Verlauf: Abgrenzung zur klassischen Arthrose trotz Kristallnachweis schwierig

CPP-Kristalle lagern sich bei CPPD in hyalinem und Faserknorpel in den Gelenken, ferner in Bändern und Sehnen ab und können Entzündungen, Gewebeschäden und Funktionsstörungen hervorrufen. Neben dem Alter sind vorangegangene Gelenkverletzungen, Arthrose, primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT), Magnesiummangel, Hypophosphatasie und Hämochromatose Risikofaktoren [2,3]. Es gibt familiäre Formen mit genetischer Prädisposition, etwa bei ANKH-Mutation. ANKH kontrolliert im ­Skelettsystem den transmembranösen Transport anorganischen Pyrophosphats. Bei CPPD-Diagnose sind gerade jüngere Betroffene auf Risikoerkrankungen zu screenen [3].

Arthrose und CPP-Kristalle – nicht immer CPPD

Symptome eindeutig einer CPPD zuzuschreiben, ist oft schwierig, zumal sie gemeinsam mit anderen Gelenkerkrankungen vorkommen kann. Ein Diagnose-Goldstandard fehlt, es zählen Klinik, Synovia­analyse und Bildgebung. Mikroskopisch sind die ­Kristalle in polarisiertem Licht erkennbar. Oft werden sie aber übersehen, und nicht immer ist es möglich, die nötige Gelenkflüssigkeit zu gewinnen.

Entzündung eindämmen, Symptome kontrollieren, Schübe vermeiden.

Ein Fortschritt für die diagnostische Einordnung sind die Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology (ACR) und der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) [1] und die  EULAR-Empfehlungen zur Bildgebung bei Kristallarthropathien [4], beide aus 2023.

Laut ACR/EULAR genügt bei schmerzenden, geschwollenen oder druckschmerzhaften Gelenken, die nicht ausreichend durch eine andere Erkrankung erklärbar sind, für die Klassifikation als CPPD ein Crowned-Dens-Syndrom oder der Nachweis von CPP-Kristallen in Gelenkflüssigkeit oder Gewebebiopsie (Abb.).

Ansonsten wird ein Score errechnet, nötig sind > 56 Punkte (Tab.). Die Kriterien waren in der Validierung zu 99,2 % sensitiv und zu 92,5 % spezifisch. Dass Arthrosen mit CPP-Nachweis nicht immer als CPPD durchgehen, liegt am Ausschlusskriterium: Gerade eine fortgeschrittene Arthrose erklärt oft allein sämtliche Symptome.

Im Fokus: Handgelenke, Knie, Halswirbelsäule

Für die Bildgebung empfiehlt die EULAR [4], neben symptomatischen Gelenken auch typische CPPD-Zielgelenke zu untersuchen: Handgelenke und Knie. Gerade der trianguläre fibrokartilaginäre Komplex (TFCC) und die Menisci weisen oft Ablagerungen auf. Charakteristisch ist auch das Crowned-Dens-­Syndrom mit Nackenschmerzen durch CPP-Ablagerungen in den Bändern um den Dens axis.

Die axiale Beteiligung ist am besten in der Computertomografie darzustellen. Für periphere Gelenke eignen sich konventionelles Röntgen und Ultraschall. Röntgen dient dabei eher der Bestätigung als dem Ausschluss der Erkrankung. Gemessen an histologischen Befunden betrug die Spezifität des Röntgens für die CPPD-Diagnose in einer Studie bei 67 Personen, die wegen Gonarthrose einen Gelenkersatz erhielten, 92 %, die Sensitivität aber gerade einmal 54 % und der negativ prädiktive Wert 66 % [5].

Sonografisch ist die wegweisende Doppelkontur ­weniger markant als bei der Gicht. Die Kristalle ­lagern sich auch nicht auf, sondern im Knorpel ab. Die Reflexe sind schwächer, linear oder gepunktet und unterschiedlich groß. Anders als sonst bei ­Verkalkungen fehlt ein Schallschatten. Eine floride Synovitis nachzuweisen, kann durchaus hilfreich sein – wenn nicht zusätzlich eine andere entzündliche Gelenkerkrankung vorliegt. Mischbefunde ­treten häufig auf.

Keine krankheitsmodifizierende Therapie

Eine präventive oder krankheitsmodifizierende ­Therapie gibt es nicht. Anders als bei der Gicht lassen sich bei CPPD die Kristallablagerungen medikamentös nicht auflösen – auch nicht durch die Behandlung zugrunde liegender Risikoerkrankungen. Bisher gibt es keine Hinweise, dass die Therapie eines pHPT oder einer Hypophosphatasie CPPD-Verlauf und -Schwere beeinflusst. Nur Magnesium-Supplementationen könnten hilfreich sein [6,7]. Somit geht es allein um die Eindämmung der Entzündungsreaktion, Symptomkontrolle und die Schubvermeidung. ­Evidenzbasierte Therapieleitlinien fehlen, zudem gibt es nur wenige spezifische Studien. Die Behandlung erfolgt daher weitgehend analog zur Gicht, mit nicht steroidalen Antirheumatika, Colchicin und Glukokortikoiden. Letztere bei Befall einzelner großer Gelenke ggf. intraartikulär zu verabreichen, bietet sich bei ohnehin erfolgender diagnostischer Gelenkpunktion an. Wichtig ist dabei immer, dass es keinen Anhalt für eine Infektion gibt.

Inflammasom beteiligt

Die akute CPPD-Arthritis kann als autoinflammatorische Erkrankung betrachtet werden [6]. Das angeborene Immunsystem erkennt die Kristalle als Damage-Associated Molecular Patterns (DAMPs). Das aktiviert das NLRP3-Inflammasom und mündet in eine ­vermehrte Interleukin(IL)-1β-Sekretion. Auf dieser Pathogenese gründet sich auch die Verwendung von Colchicin und IL-1-Inhibitoren: Formal off-label sind Anakinra oder Canakinumab bei unzureichendem Ansprechen oder Unverträglichkeit anderer Therapien eine Alternative.

In einem systematischen Review [8] waren von 74 Personen mit CPPD 85,1 % therapierefraktär, 23 % hatten Kontraindikationen gegen Standardtherapien. 80,6 % mit akuter und 42,9 % mit chronischer CPPD sprachen auf Anakinra an. Insgesamt 68,9 % wurden 3 Tage lang behandelt, 21,6 % 5–9 Tage und 9,5 % 30–365 Tage. Geprüft werden nun auch orale NLRP3-Inhibitoren wie Dapansutril und Caspase-1-Inhibitoren [2]. Dapansutril wurde in einer Phase-IIa-Proof-of-Concept-Studie [9] erfolgreich bei Gicht getestet.

Bei chronisch-persistierender Entzündung, die klinisch eine rheumatoide Arthritis imitieren kann, kommen auch Methotrexat, Hydroxychloroquin oder Tocilizumab (TCZ) infrage, wobei die Evidenz für alle drei bislang gering ist. Rationale für Tocilizumab ist, dass CPP-Kristalle auch eine IL-6-Expression hervorrufen [6].

Eine Arthrose wird mit CPPD genauso behandelt wie ohne. Bei schwerem therapierefraktärem Verlauf kommt, wie bei anderen unkontrollierten Arthritiden, auch eine Synovektomie infrage [6].

  1. Abhishek A et al., Ann Rheum Dis 2023; 82: 1248–57
  2. Kim SY et al., Cureus 2024; 16: e60434
  3. Sivera F: Management of crystal arthropathies. Vortrag. EULAR 2024
  4. Mandl P et al., Ann Rheum Dis 2024; 83: 752–9
  5. Sirotti S et al., Arthritis Rheumatol 2023; 75: 630–8
  6. Stack J, McCarthy G, Best Pract Res Clin Rheumatol 2021; 35: 101720
  7. Doherty M, Dieppe PA, Ann Rheum Dis 1983; 42: 106–7
  8. Cipolletta E et al., Clin Exp Rheumatol 2020; 38: 1001–7
  9. Klück V et al., Lancet Rheumatol 2020; 2: e270–e280. Erratum in: Lancet Rheumatol 2020; 2: e388
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