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Allgemeinmedizin

Azidose bei Diabetes, Nieren- und Herzinsuffizienz

Bicarbonat wirksam und sicher

Dr. med. Dr. PH Herbert Stradtmann

Schlechte Ernährung, schiefe Stoffwechsellage, die Ursachen für eine metabolische Azidose können vielfältig sein. Der Beginn ist schleichend und die Symptome sind sehr unspezifisch. Deshalb wird ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt nicht immer direkt erkannt.

Im menschlichen Organismus ist Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3, Bicarbonat) die wichtigste Puffersubstanz. Bei einem chronischen Defizit handelt es sich um eine chronisch-metabolische Azidose (cmA). Im fortgeschrittenen Stadium des Nierenfunktionsverlustes ist die cmA praktisch obligat. Neben der Behandlung der Ursachen für eine cmA trägt der frühe Ausgleich des Defizits zum größtmöglichen Erhalt ­natürlicher Funktions- und Schutzmechanismen bei. Die konsequente Korrektur der cmA ist nicht nur für chronisch Nierenkranke essenziell, sondern kann auch bei der Therapie von Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen und sogar der chronischen Herzerkrankung wichtig werden. Entscheidender Parameter bei der Diagnostik der cmA mittels ­Blutgasanalyse (BGA) ist der Bicarbonatspiegel (Standardbicarbonat [HCO3-]). Der Blut-pH-Wert allein ist kein genügend sicheres Kriterium zur Beurteilung einer cmA. Liegt der Bicarbonatspiegel chronisch unter 22 mmol/l (unterer Normwert), dann ist Achtung geboten. Hier beginnt die azidotische Stoffwechsellage, mit nega­tiven Folgen. Ein HCO3--­Defizit ist daher bis zum ­Erreichen eines konstanten Spiegels von mindestens 22 mmol/l auszugleichen.

Welche Behandlungsoptionen gibt es?

1. Eine basische Ernährung entlastet die Puffersy­s­teme und dient damit dem Ausgleich einer Azidose. Diese Ernährungsform favorisiert Lebensmittel mit hohem Kationengehalt wie Kalium, Calcium, Magnesium und solche, die weniger Protein enthalten, also weniger Sulfhydrylgruppen. Als Ergänzung dienen Mineralwässer mit einem Bicarbonatgehalt über 1 000 mg pro Liter.
2. Alkalicitrate wirken zunächst auf den Magensaft. Dann erfolgt die Metabolisierung in der Leber zu ­Bicarbonat unter Aufbrauchen saurer Valenzen. ­Allerdings erfolgt hierbei die Azidosekorrektur nur über den Umweg des Leberstoffwechsels.
3. Bicarbonat, der körpereigene, physiologische ­Puffer, wirkt dagegen direkt. Untersuchungen wiesen nach, dass Bicarbonatgaben das Fortschreiten der Niereninsuffizienz effektiv verzögern.

Die Grafik zeigt das anhand der Kreatininclearance (CrCl) im Stadium 4 [1].

Bicarbonattherapie

Variante 1: Magensaftlösliches Bicarbonat eignet sich nicht nur zur Neutralisierung der Magensaftsalzsäure (HCl) bei Sodbrennen. Es geschieht nämlich Folgendes: Belegzellen des Magens sezernieren HCl. Sie entnehmen nun dem arteriellen Blut ­genau die Menge an HCl, die der Neutralisation von HCl im Magen durch das zugeführte Bicarbonat entspricht. Das jetzt alkalisierte, venöse Blut des ­Magens wird via Splanchnicusgebiet wieder dem zirkulierenden Blut zugeführt und bewirkt eine ­systemische Alkalisierung.

Nachteile: Behinderung der bakteriziden Wirkung des Magensafts und der Aufspaltung des Nahrungseiweißes sowie der direkten Umwandlung von Pepsinogen in das eiweißspaltende Pepsin. Bei Langzeitzufuhr sind Folgen im Vitamin-B12-Stoffwechsel mit Behinderung der Vitamin-B12-Resorption („extrinsic factor“) und nachfolgender Blutbildungs­störung zu diskutieren.

Variante 2: Wenn Bicarbonat den Dünndarm erreicht, wird es wegen seiner guten Löslichkeit nahezu komplett resorbiert und steht als bereits fertiger, physiologischer Puffer zur Verfügung. Dabei darf Bicarbonat nicht schon im Magen unter Einwirkung der Salzsäure komplett zu Kochsalz  (NaCl), Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) zerfallen, sondern muss ­unverändert den Magen passieren.

Deshalb eignen sich für die direkte Korrektur der Azidose magensaftresistente Bicarbonatpräparate am besten. Mit einer Tagesdosis von 2 000 bis 3 000 mg Natriumhydrogencarbonat ist ein guter Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts möglich. Der Zielwert des Standardbicarbonats ist allerdings noch nicht endgültig definiert. Er sollte mindestens 22 mmol/l betragen, aber 26 mmol/l nicht überschreiten. Dann nämlich sind sogar wieder negative Effekte möglich, besonders bei kardiovaskulären Erkrankungen [2]. Als Referenzbereich für das Standardbicarbonat gelten daher 22 bis 26 mmol/l [3]. Der obligate Ausgleich einer cmA erfordert eine an­gepasste Behandlung mit magensaftresistentem Bicarbonat unter Kontrolle mittels der BGA.

FAZIT:

Säure-Basen-Haushalt und Körperfunktionen sind eng verbunden. Chronische Abweichungen haben vielfältige negative Folgen. Die frühe Enttarnung der zunächst symptomarmen chronisch-metabolischen Azidose mittels Blutgasanalyse ist daher wichtig. Eine angepasste, oftmals lang andauernde Korrektur des Standardbicarbonats auf mindestens 22 mmol/l hat positive Effekte. Am besten eignen sich dafür magensaftresistente Natriumhydrogencarbonat-(Bicarbonat-)Präparate.

Der Autor

Dr. med. Dr. PH Herbert Stradtmann
Arzt für Innere Medizin/Nephrologie,
Hypertensiologe-DHL® und ­Rehabilitationswesen
Im Wölftegrund 27
34537 Bad Wildungen

1 De Brito-Ashurst L et al., J Am Soc Nephrol 2009; 20: 2075–2084
2 Kraut J et al., Curr Opin Nephrol Hytertens 2018; 27: 94–101
3 Herold G et al. in: Innere Medizin 2020; 968

Bildnachweis: privat

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