- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Therapie rheumatoide Arthritis

Aktuelle Möglichkeiten und Forschung

Prof. Dr. med. Xenofon Baraliakos

27.9.2024

Biologika sowie Januskinase-Inhibitoren haben sich mittlerweile in der Therapie der rheumatoiden Arthritis bewährt. Doch die Forschung steht nicht still. Wohin führt die Entwicklung der T-Zell-Engager und der CAR-T-Zell-Therapie?

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch- entzündliche Autoimmunerkrankung, die nicht nur die Gelenke, sondern auch andere Organsysteme betreffen kann. Die RA zeichnet sich durch eine symmetrische Polyarthritis aus, die unbehandelt zu einer erheblichen Gelenkzerstörung und Funktionsbeeinträchtigung führt. Die Erkrankung betrifft etwa 0,5 bis 1 % der Erwachsenen weltweit, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die genauen Ursachen der rheumatoiden Arthritis sind bis heute nicht vollständig geklärt, aber genetische, epigenetische und Umweltfaktoren spielen eine wesentliche Rolle in der Pathogenese.

Die Therapie der RA zielt darauf ab, die Krankheitsaktivität zu kontrollieren, die Gelenkzerstörung zu verhindern und die Lebensqualität der Patienten und Patientinnen zu verbessern. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Behandlungs­möglichkeiten erheblich erweitert, insbesondere durch die Einführung von Biologika (bDMARD) und gezielten synthetischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (tsDMARD), zu denen auch Januskinase(JAK)-Inhibitoren gehören. Diese neuen Therapieoptionen ermöglichen eine individuellere und effektivere Behandlung, insbesondere für Erkrankte, die auf konventionelle DMARD nicht ausreichend ansprechen.

Biologika

Einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis stellen die Biologika dar. Diese therapeutischen Proteine zielen spezifisch auf Moleküle und Zellen im Körper ab, die eine Schlüsselrolle in der Entstehung der RA spielen.

Es stehen unterschiedliche Klassen von Biologika für die Therapie der RA zur Verfügung:

TNF-Inhibitoren

Die ersten Biologika, die für die Behandlung der RA zugelassen wurden, waren TNF-Inhibitoren. Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α) ist eine Stubstanz, die Entzündungen hervorruft (proinflammatorische ­Zytokine), die in den erkrankten Gelenken von ­RA-Betroffenen in hohen Konzentrationen vorkommen. TNF-Inhibitoren wie Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Golimumab und Certolizumab Pegol blockieren die Bindung von TNF-α an seine Rezeptoren auf der Zelloberfläche oder im Blut, was zu einer Reduktion der Entzündungsreaktion führt.

IL-6-Rezeptorantagonisten

Interleukin-6 (IL-6) ist eine weitere Schlüsselsub­stanz, die zur Entzündungsreaktion bei der RA beiträgt. ­Tocilizumab und Sarilumab gehören zu den Sub­stanzen, die das IL-6 blockieren und dadurch IL-6-­vermittelte Entzündungssignale unterbrechen.

B-Zell-depletierende Therapie

Spezielle Proteine (CD20, das B-Lymphozyten-Antigen) können auf der Oberfläche von Zellen, die für die Entstehung von RA-spezifischen Antikörpern und auch der Entzündung bei der rheumatoiden Arthritis wichtig sind (B-Zellen), ausgeschaltet werden, was zu einer Verminderung der Entzündung führt. Rituximab ist ein solcher monoklonaler Antikörper, der gegen CD20 gerichtet ist. Durch die Bindung an CD20 führt Rituximab zur Depletion von B-Zellen. Rituximab wird bei Patientinnen und Patienten eingesetzt, die auf eine frühere Therapie mit TNF-Inhibitoren nicht angesprochen haben.

T-Zell-Co-Stimulationsblocker

T-Zellen spielen ebenfalls eine zentrale Rolle in der Antwort des Immunsystems auf die Entzündung. ­Abatacept ist ein Fusionsprotein, das die (Co-)Stimulation von T-Zellen blockiert. Es bindet an Zellen, die die Antigene präsentieren und verhindert so die Bindung von anderen Proteinen (CD28) an T- Zellen, was zu einer Hemmung der T-Zell-Aktivierung und somit zur Unterbrechung der Entzündungskaskade führt.

JAK-Inhibitoren

Januskinasen sind Enzyme, die eine Schlüssel­rolle in der Signalübermittlung von Zytokinen spielen, die für die Entzündungsreaktion bei RA verantwortlich sind. JAK-Inhibitoren (Tofacitinib, Baricitinib, Upadacitinib und Filgotinib) sind orale ­Medi­­kamente, die diese Enzyme blockieren und somit die Entzündungsreaktion unterdrücken. Sie stellen die aktuell neueste Klasse von DMARD dar und bieten eine Alternative zu Biologika, insbesondere für ­Erkrankte, die eine orale Therapie bevorzugen. JAK-Inhibitoren haben die Eigenschaft, gleichzeitig mehrere proinflammatorische Zytokine zu hemmen.

Nebenwirkungsprofil der DMARD

Neben den sehr positiven Erfahrungen und der guten klinischen Wirkung all dieser Präparate ist es wichtig, für die individuelle Behandlung einzelner Patienten oder Patientinnen auch das Nebenwirkungsprofil der jeweiligen Substanz zu kennen. Allgemeine Nebenwirkungen dieser Medikamente sind häufiger Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen und Bauchbeschwerden leichter Ausprägung. Es bestehen aber auch Medikamentenklassen-spezifische Besonderheiten, zum Beispiel

  • die Reaktivierung einer Tuberkulose vor allem bei TNF-Inhibitoren,
  • die starke Unterdrückung der Entzündungswerte im Blut bei IL-6-Rezeptorantagonisten und somit die Gefahr übersehener Infektionen,
  • bakterielle und virale Infektionen bei Rituximab,
  • Benommenheit, Kopfschmerzen und Bluthochdruck bei Abatacept oder
  • die Erhöhung eines Thromboserisikos oder der Fettwerte im Blut oder Herpesinfektionen bei JAK-Inhibitoren.

Erwünschte Wirkung und potenzielle Nebenwirkungen zusammen mit dem individuellen Risikoprofil der einzelnen Betroffenen werden bei der Wahl der Therapie bei Patienten und Patientinnen mit aktiver RA berücksichtigt. Sie gehören vor Therapiebeginn thematisch auch zum Aufklärungsgespräch.

Aktuelle Forschung und klinische Studien

Die Forschung bezüglich neuer Arzneimittel gegen die rheumatoide Arthritis ist vielfälltig und hat in den vergangenen Jahren erneut zugenommen. Zu den neuen Therapieansätzen gehören die T-Zell-Engager oder die CAR-T-Zell-Therapie. Die Entwicklung der T-Zell-Engager konzentriert sich auf die Erforschung von bispezifischen Antikörpern und anderen Strategien, um die Immunantwort spezifisch zu modulieren. Bei erfolgreicher Entwicklung könnten diese Therapien eine personalisierte Behandlung ermöglichen, die gezielt auf die immunologischen Eigenschaften eines Individuums abgestimmt ist.

T-Zell-Engager

Dieses Verfahren wurde aus der Tumortherapie übernommen. T-Zell-Engager sind eine neue Art von künstlich hergestellten Antikörpern, die das Immunsystem gezielt beeinflussen, um die Symptome der rheumatoiden Arthritis zu lindern. Diese Medikamente bestehen aus speziellen Eiweißen, die an 2 Stellen spezifisch andocken können: an T-Zellen sowie an die Zellen, die für die Entzündung bei rheumatoider Arthritis verantwortlich sind. Durch das Andocken werden die T-Zellen aktiviert. Diese aktivierten T-Zellen können dann gezielt die Zellen angreifen und zerstören, die die Entzündung und damit die Schmerzen und Schwellungen in den Gelenken verursachen.

Das Besondere an T-Zell-Engagern ist, dass sie ­gezielt die krankmachenden Zellen angreifen, ohne das restliche Immunsystem stark zu beeinträchtigen. Das kann helfen, die Entzündung in den ­Gelenken zu reduzieren und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen, bei theoretisch noch weniger Nebenwirkungen als bei den bereits etablierten Therapien.  

Aktuell sind diese Medikamente noch im Erprobungsstadium, können sich aber als besonders nützlich für Patientinnen und Patienten erweisen, bei denen ­andere Behandlungen nicht ausreichend wirken.

CAR-T-Zell-Therapie

Auch die CAR-T-Zell-Therapie hat sich in der Onkologie bereits etabliert und den Weg in die Behandlung von Autoimmunerkrankungen gefunden. Sie funktioniert ebenfalls über eine Umprogrammierung des Immunsystems, damit dieses gezielt gegen die Zellen vorgeht, die bei rheumatoider Arthritis die Entzündung verursachen.

Dabei werden T-Zellen aus dem Blut der an RA Erkrankten entnommen und im Labor genetisch verändert. Erzeugt werden so „chimäre Antigenrezeptoren“ (CAR). Diese neuen Rezeptoren machen die T-Zellen besonders „scharf“ auf die Zellen, die bei RA die Entzündung und damit die Schmerzen verursachen. Nach dieser Umprogrammierung werden die CAR-T-Zellen wieder in den Körper zurückgeführt. Dort können sie nun gezielt die Zellen aufspüren und angreifen, die die Entzündung auslösen. Ein großer Vorteil dieser Therapie ist, dass die CAR-T-Zellen oft über längere Zeit im Körper bleiben und so auch langfristig wirken können.

Das Nebenwirkungsprofil dieser neuartigen Therapien ist noch nicht vollständig bekannt. Wie viel­versprechend sie sich auch präsentieren, so können sie doch mittel oder langfristig auch ernsthafte Nebenwirkungen mit sich bringen, beispielsweise Über­reaktionen des Immunsystems, die sehr genau überwacht werden müssen.

Aktuelle Leitlinien für die Behandlung

Nach den aktuellen Leitlinien der Europäischen ­Gesellschaft für Rheumatologie (European Alliance of Associations for Rheumatology, EULAR) für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis ist es das oberste Ziel, die Entzündung zu reduzieren, Schmerzen zu lindern, Gelenkschäden zu verhindern und die Lebensqualität der Patienten und Patientinnen zu verbessern.

Wichtige Punkte der EULAR-Leitlinie für die RA:

1. Frühe Diagnose und Behandlung: Je früher die RA erkannt wird, desto besser sind die Chancen, sie zu kontrollieren. Daher sollte die Behandlung so früh wie möglich beginnen.

2. Medikamentöse Therapie: Basistherapien (DMARD) wie Methotrexat sind die erste Wahl. Sie helfen, die Krankheit langfristig zu kontrollieren. Biologika und JAK-Inhibitoren kommen zum Einsatz, wenn DMARD allein nicht ausreichen.

3. Behandlungsziel: Das Hauptziel der Therapie ist es, eine Krankheitsremission (das Verschwinden der Symptome) oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität zu erreichen. Dies wird regelmäßig überprüft und die Therapie bei Bedarf angepasst.

4. Angepasste Therapie: Die Behandlung wird individuell angepasst, basierend auf dem Ansprechen des Individuums und möglichen Nebenwirkungen. Auch Begleiterkrankungen und Patientenvorlieben spielen eine Rolle.

5. Nicht medikamentöse Maßnahmen: Neben ­Medikamenten sind auch Physiotherapie, Bewegung und gesunde Ernährung wichtig, um die Gelenkfunktion zu erhalten und die allgemeine Gesundheit zu fördern.

6. Langfristige Betreuung: RA ist eine chronische Erkrankung, die eine langfristige Betreuung erfordert. Regelmäßige Arztbesuche und Anpassungen der Therapie sind wichtig, um die Krankheit unter Kontrolle zu halten.

Die EULAR-Leitlinien betonen die Bedeutung einer personalisierten und umfassenden Therapie, die ­sowohl medikamentöse als auch nicht medikamen­töse Maßnahmen umfasst, um den bestmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen.

FAZIT:

Die Therapieoptionen bei rheumatoider Arthritis haben sich erheblich erweitert, insbesondere durch die Einführung von Biologika, JAK-Inhibitoren und innovativen Ansätzen wie T-Zell-Engagern und CAR-T-Zell-Therapien. Diese Therapien ermöglichen eine personalisierte Behandlung, die auf die individuellen Bedürfnisse der Einzelnen abgestimmt ist, und bieten Hoffnung für Patienten und Patientinnen, die auf herkömmliche Therapien nicht ausreichend ansprechen. Die zukünftige Ausrichtung der Behandlung der RA wird sich auf individuell zugeschnittene Therapien konzentrieren. Gleichzeitig dürfen die potenziellen Nebenwirkungen nicht außer Acht gelassen werden.

Der Autor

Prof. Dr. med. Xenofon Baraliakos
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
Facharzt für Orthopädie
Rheumazentrum Ruhrgebiet Herne
Ruhr-Universität Bochum

xenofon.baraliakos@elisabethgruppe.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: ru3apr (gettyimages); privat, Rheumazentrum Ruhrgebiet Herne

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt