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Allgemeinmedizin

Entzündungen der Gelenke

Aktuelle Therapieansätze bei Gicht

Nicole Hein

25.7.2023

Bei der Behandlung der Gicht wird zwischen der Therapie des akuten Gichtanfalls und der harnsäuresenkenden Dauertherapie unterschieden. Für beide Indikationen gibt es neue Optionen, die eine Alternative zur Standardtherapie darstellen können.

Die Ursache für einen akuten Gichtanfall ist eine zunächst lokale entzündliche Reaktion des Immunsystems auf abgelagerte Uratkristalle. Diese präzipitieren vor allem peri- oder intraartikulär, allerdings finden sie sich auch in anderen Geweben. Die Gicht (Arthritis urica) gilt somit als Systemerkrankung, die sich nicht nur auf die Gelenkmanifestation beschränkt. Meistens ist sie mit einer Hyperurikämie assoziiert, die als eine Erhöhung der Serumharnsäure von ≥ 6,8 mg/dl (408 μmol/l) definiert ist [1].

Die Hyperurikämie gilt beim Entstehen eines Gichtanfalls als der entscheidende Faktor, außerdem verstärkt sie die Insulinresistenz und ist mit allen Facetten des metabolischen Syndroms assoziiert (Hypertonie, Diabetes mellitus, Nieren- und kardiovaskuläre Erkrankungen). Unter anderem deswegen haben Patienten mit Gicht häufig nicht nur erhebliche Einschränkungen ihrer körperlichen Funktionsfähigkeit, was mit einer reduzierten Lebensqualität verbunden ist, sondern sind zudem im Vergleich zur Normalbevölkerung überproportional oft multimorbid (Tab.).

Akuter Gichtanfall

Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) sind die Therapie der ersten Wahl bei einem akuten Gichtanfall [1,2]. Aufgrund seiner Verträglichkeit und langen Halbwertszeit empfiehlt sich Naproxen. Ebenfalls zugelassen ist Etoricoxib. Aufgrund der Komorbiditäten und des kardiovaskulären Risikoprofils von Gichtpatienten ist der Einsatz von NSAR allerdings kritisch zu hinterfragen. In den Leitlinien findet deshalb der Mitosehemmstoff Colchicin ­Beachtung. Er wird ebenfalls als Therapie der ersten Wahl genannt.

Kortikoide zur Antiinflammation sind Mittel der zweiten Wahl. Sie dienen insbesondere als Alternative bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder erhöhtem gastrointestinalen Risiko.

Biologika haben bei der Behandlung von Schmerzen eine vergleichbare Effektivität wie die Standardtherapie. Neu bei der Behandlung der akuten Gicht ist der Interleukin(IL)-1-Antagonist Canakinumab, der bei Unverträglichkeit, unzureichender Wirkung oder Kontraindikation gegen NSAR, Kortikoide und Colchicin zugelassen ist. Auch der IL-1-Inhibitor Anakinra zeigt gute Ergebnisse: In einer randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie wurden Patienten mit akutem Gichtanfall entweder mit Anakinra 100 mg oder 200 mg für fünf Tage oder mit Triamcinolon 40 mg einmalig behandelt [3]. Primärer Endpunkt war die Besserung der von den Patienten angegebenen Schmerzen, gemessen anhand einer visuellen ­Analogskala (0–100 VAS). Im Mittel zeigte sich eine Besserung der Schmerzen laut VAS um 41,2 in den Anakinragruppen und um 39,4 in der Kontroll­gruppe. In den meisten sekundären Endpunkten schnitt ­Anakinra ebenfalls besser ab.

Tabelle: Relative Häufigkeit der Komorbidiäten

Harnsäuresenkende Therapie

Der Goldstandard der harnsäuresenkenden Therapie ist der Purin-analoge Xanthinoxidase-Hemmer ­Allopurinol. Der selektive Xanthinoxidase-Hemmstoff Febuxostat gilt als Reservemedikament für seltene, anders nicht behandelbare Uratablagerungen. Mittel der zweiten Wahl sind Urikosurika wie Probenecid und Benzbromaron, die bei Unverträglichkeiten und Kontraindikationen von Allopurinol eingesetzt ­werden können. Ein weiteres Urikosurikum ist beispielsweise Lesinurad, ein URAT1-Inhibitor. Er kann ­Anwendung finden, wenn Allopurinol oder Febuxo­stat in der höchst möglichen Dosierung den Harnsäurewert nicht in erforderlicher Weise senken.

SGLT2-Hemmer senken Gichtrisiko

Patienten mit Typ-2-Diabetes erkranken selte­ner an Gicht, wenn sie als Antidiabetikum einen SGLT2-Hemmer statt eines GLP-1-Rezept­orago­nisten anwenden. Das zeigen Langzeitdaten aus den USA. Die Autoren der im Fachjournal „Annals of Internatal Medicine“ erschienenen Arbeit berichten darin von einem retrospektiven Vergleich von knapp 296 000 Patienten, die zwischen 2013 und 2017 wegen eines neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes eine Therapie mit einem SGLT2-Hemmer oder einem GLP-1-­Rezeptoragonisten angefangen hatten [4].

In der SGLT2-Hemmer-Gruppe erkrankten 36 % weniger Probanden an Gicht als in der Vergleichsgruppe. Die Inzidenzraten betrugen 4,9 Fälle pro 1 000 Personenjahre unter SGLT2-Hemmer versus 7,8 Fälle pro 1 000 Personenjahre unter GLP-1-Rezeptorantagonisten. Die Autoren betonten, dass das Ergebnis deutlich wäre, aber um wissenschaftlich haltbar zu sein, repliziert werden müsse. Wie genau die Senkung des Gichtrisikos ­zustande komme, sei noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass es infolge des Anstiegs der Glucose­kon­zen­tra­tion im Urin zu einer vermehrten Ausscheidung von Harnsäure käme.

1 Kiltz U et al., S2e-Leitlinie „Gichtarthritis – fachärztlich“. AWMF-Leitlinien Register-Nr. 060/005
2 Prautzsch H et al., „Häufige Gichtanfälle und chronische Gicht“. DEGAM-Leitlinie Nr. 23, AWMF-Register-Nr. 053-032a
3 Saag K et al., eular THU0409, 2020
4 Fralick M et al., Ann Intern Med 2020 Jan; DOI 10.7326/ M19–2610

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