Adipositas als Bestandteil des metabolischen Syndroms hat nicht nur direkte und indirekte Effekte auf die Entstehung des Vorhofflimmerns (VHF), vielmehr beeinflusst es neben der medikamentösen und interventionellen Therapie auch den Verlauf und die Prognose.
In Deutschland ist ein Viertel der Erwachsenen übergewichtig. Eine Korrelation zwischen Adipositas und VHF zeigen Studien. So konnte in einer Metaanalyse eine relative Risikoerhöhung von 51 % bezüglich des Auftretens von VHF nachgewiesen werden. Eine Zunahme des BMI um 5 Einheiten erhöhte das Risiko des Auftretens um bis zu 29 %. Traditionell wird angenommen, dass Fettleibigkeit VHF indirekt aufgrund des Vorhandenseins von assoziierten Komorbiditäten fördert.
Adipositas-Vorhofflimmern-Paradoxon
Trotz des schlüssigen Zusammenhangs zwischen Fettleibigkeit und Arrhythmien wurden Studien publiziert, denen zufolge übergewichtige Patienten und Patientinnen ein geringeres Risiko sowohl für kardiovaskuläre Todesfälle als auch ein geringeres Risiko für einen Schlaganfall sowie schwere Blutungen zeigten – das Adipositas-Vorhofflimmern-Paradoxon. Mögliche Erklärungen lauten, dass Adipöse im Allgemeinen früher und intensiver behandelt werden bzw. eine größere metabolische Reserve bieten und somit einen erhöhten katabolischen Stress ertragen.
Dieses Paradoxon ist jedoch infrage zu stellen. Möglicherweise sind die Studienergebnisse u. a. auf die Schwäche des BMI als Maß für Fettleibigkeit zurückzuführen. Er stellt lediglich einen Messwert des Verhältnisses zwischen Körpergewicht und Größe dar. Eine Differenzierung des Körpergewichts erfolgt nicht. Es wird nicht zwischen (viszeralem) Fett- und Muskelmasse unterschieden.
Bei der Pathogenese des Vorhofflimmerns scheint das „viszerale Fett“ des Herzens, das epikardiale Fett (EAT), eine bedeutende Rolle zu spielen. Ihm werden parakrine, autokrine und systemische Wirkungen zugeschrieben, die zu einer Inflammation in Verbindung mit oxidativem Stress führen. Darüber hinaus kann EAT das Myokard infiltrieren, dort eine Fibrose erzeugen und so die elektrophysiologischen Eigenschaften verändern.
Gewichtskontrolle beim VHF-Management
Ist die Korrelation zwischen Adipositas und das Auftreten von Vorhofflimmern eine „Einbahnstraße“?
Eine prospektive, randomisierte Studie belegte, dass durch Gewichts- und Risikofaktoren-Management nicht nur die Progression von paroxysmalem zu persistierendem VHF aufgehalten werden kann, vielmehr konnte zum Teil eine Umkehrung zu paroxysmalem bzw. das Verschwinden von VHF beobachtet werden. Ein höherer Gewichtsverlust (≥ 10 %) war häufiger mit einer Vorhofflimmerfreiheit verbunden. Diese Daten mündeten darin, dass in den aktuellen Leitlinien der Gewichtsabnahme bei der Prävention bzw. Therapie des VHF die höchste Empfehlungsklasse ausgesprochen wurde.
Adipositas und Medikamente
Allgemein anerkannt ist, dass Fettleibigkeit pharmakokinetische und pharmakodynamische Eigenschaften verändert. Und so wird z. B. bei Vitamin-K-Antagonisten zur Verhinderung eines Schlaganfalls bei VHF eine signifikant längere Zeit bis zum Erreichen der therapeutischen International Normalized Ratio (INR) bzw. höhere Tagesdosen benötigt. Die Zulassungsstudien der „Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien“ (DOAK) zeigen indes eine ähnliche oder gar überlegene Wirksamkeit verglichen mit Vitamin-K-Antagonisten.
Medikamentöse Rhythmuskontrolle
Auch die Wirkung von Adipositas auf die antiarrhythmische Therapie wurde untersucht. In einer Publikation betrug das Therapieversagen der Klasse-I-Antiarrhythmika (Na-Kanalblocker) bei adipösen VHF-Erkrankten 30 % vs. 6 % in der normalgewichtigen Gruppe. Im Therapiearm mit Klasse-III-Antiarrhythmika (K-Kanalblocker) wurden keine Unterschiede nachgewiesen. Diese Daten suggerieren den Einsatz der offenbar effektiveren, jedoch insgesamt nebenwirkungsträchtigeren Medikamentengruppe.
Medikamentöse Frequenzkontrolle
Am häufigsten werden Betablocker zur Frequenzkontrolle verwendet. Lipophile Betablocker diffundieren hierbei bevorzugt in mageres Gewebe und nicht ins Fettgewebe, jedoch kann die Pharmakokinetik bzw. die Lipidlöslichkeit von Betablockern durch galenische Faktoren beeinflusst werden. Der bei Patientinnen und Patienten verbreitete Glaube bezüglich der Gewichtszunahme unter Betablocker-Medikation ist in Studien relativiert worden. Bei „älteren“ Betablockern (z. B. Metoprolol) zeigt sich zwar initial eine geringe Gewichtszunahme, diese ist jedoch lediglich für die ersten Monate beschrieben. Bei neueren Subtanzen (z. B. Carvedilol) tritt sie nicht auf.
Adipositas und Ablationbehandlung
Die interventionelle Behandlung hat in der vergangenen Dekade eine Einstufung als Erstlinien-Therapie erhalten.
Aufgrund der oben beschriebenen Einflussfaktoren für das Entstehen von Vorhofflimmern leiden adipöse Patientinnen und Patienten häufiger an nicht paroxysmalem Vorhofflimmern. Ein erhöhter BMI stellt einen unabhängigen Prädiktor von Arrhythmierezidiven dar. So weisen Übergewichtige ein um 15 % erhöhtes Rückfallrisiko nach Ablationsbehandlung auf. Zu berücksichtigen sind daher Studienergebnisse, die zeigen, dass eine Gewichtreduktion vor der Intervention zu einer Verbesserung der Ablationsergebnisse führen kann.
Durch den Einsatz neuer Technologien bzw. Optimierung der prozeduralen Schritte (Ablation ohne Unterbrechung der OAK, ultraschallgestützte Gefäßzugänge, Einsatz von „single shot“-Technologien, Gefäßverschlusssysteme) ist die Komplikationsrate dieses Eingriffes deutlich gesunken. Der BMI stellt dabei keinen Prädiktor für ein erhöhtes Risiko dar.
Adipositas führt durch indirekte und direkte Effekte zum Auftreten und Aufrechterhalten von Vorhofflimmern. Eine dauerhafte Gewichtsreduktion stellt einen wesentlichen Schritt zur Prävention von VHF dar. Neben der Kombination aus ausgewogener Ernährung und regelmäßigem Ausdauertraining können ggf. Pharmaka bei der Gewichtsreduktion helfen. Adipositas sowie VHF und insbesondere die Kombination aus beiden können wesentlich zur Limitierung der Belastung beitragen. Zur Durchbrechung dieses Circulus vitiosus sollte die interventionelle Therapie erwogen werden.
Der Autor
PD Dr. med. habil. Thomas Gaspar
Leitender Oberarzt
Sektion Rhythmologie Herzzentrum Dresden GmbH
Uniklinik an der TU Dresden
Literatur beim Autor